Alle Jahre wieder…

Pegasus, der von ARD, ZEIT und IBM veranstaltete Internet-Wettbewerb zum Thema Literatur und Sprache, bleibt auch im dritten Jahr von Kritik nicht verschont. Neu ist, dass sie diesmal schon vor der Preisverleihung einsetzt.

Das Pegasus DiskussionsforumIn diesem Jahr wollten die Veranstalter alles besser machen. In den beiden letzen Jahren gab es immer wieder Kritik an der Jury und ihren Entscheidungen. Auch die Qualität der prämierten Beiträge wurde immer wieder in Zweifel gezogen.
     Um solchen Diskussionen diesmal aus dem Weg zu gehen und bereits im Vorfeld die Stimmung herauszufinden, installierte man auf der Wettbewerbs-Site das Standardrepertoire in Sachen User-Beteiligung oder kündigte dieses an: FAQ-Bereiche, Chats und natürlich ein obligatorisches Gästebuch, hier im Stil eines Forums.
     Doch die erwarte Diskussion über die Qualität der bereits veröffentlichten Beiträge blieb leider aus. Lediglich als die Veranstalter einige der Einsendungen aussortierten, weil sie in keinem Zusammenhang zum Wettbewerb standen, meldeten sich einige im Forum zu Wort, die sich hier ungerecht behandelt fühlten. So wurde manche betroffene Website bekannter, als wenn sie den ersten Preis im Wettbewerb gewonnen hätte. Doch auch diese Diskussion war nicht weiter aufregend.
     Der wahre Sprengstoff sollte jedoch in einem unbedarften Beitrag des für die Pegasus-Site zuständigen Technikers liegen. Der Techniker teilte mit, dass er auf Anweisung der Verantwortlichen im Forum die Möglichkeit, klickbare Links einzugeben, abgeschaltet habe. Dieses Feature, das fast alle Gästebuch-Skipts bieten, soll u.a. verhindern, dass die Gästebücher durch nicht zum Thema gehörende Einträge zur Werbeplattform verkommen (»Schaut doch mal auf meiner Site vorbei!«). Außerdem neigen gerade die Gästebücher öffentlicher Institutionen immer wieder dazu, dass hier anonyme Besucher »aus Spaß« illegale Web-Sites verlinken.
     Die Link-Möglichkeit zu unterbinden ist also gängige Praxis und nach Aussagen des ARD-Verantwortlichen Hermann Rotermund von Anfang an geplant gewesen.
     Dubios mutete allerdings die Begründung für die Abschaltung an. Die Juristen der ARD hätten dies empfohlen, da ein Website-Betreiber für alle Links auf seiner Site verantwortlich sei, teilweise sogar für die Links zweiter Ordnung, also die auf der gelinkten Site. Dies gelte auch für Links in Gästebüchern.
     Für diese Rechtsauffassung gibt es in der Tat weder eine rechtliche Grundlage noch entsprechende Gerichtsurteile. Zwar wurde bereits ein Website-Betreiber wegen eines Links verurteilt, doch war dieser Link vom Betreiber selbst in einer beleidigenden Absicht gesetzt worden, sodass dieser Fall nicht für »den Link schlechthin« gilt. Außerdem steht hier noch ein Berufungsverfahren an.
     Doch gerade die Begründung der ARD ließ die Wellen hochschlagen, hat man es beim Wettbewerb doch mit einem sensiblen Klientel zu tun. Dieses setzte dann auch das übliche Strafrepertoire ein: Beiträge wurden aus Protest zurückgezogen, oder es wurde zumindest damit gedroht. Die Kritiker warfen der ARD vorauseilendes Gehorsam vor, und es ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Veranstalter durch die Begründung einen Status quo setzen, der bei kommenden Gerichtsurteilen durchaus als »gängige Praxis« gewertet werden könnte.
     Doch schoss man in vielen aufgeregten Beiträgen weit über das Ziel hinaus. Sofort grassierten auch Verschwörungstheorien, die das ganze mit den unlängst ins Gespräch gebrachten Rundfunkgebühren für Internet-Geräte verbanden. Andere, wie der Branchenreport »Internet intern« meldeten im Eifer des Verbalgefechtes sogar, dass die Teilnehmer keine Links in ihre Wettbewerbsbeiträge einbinden dürften. Kleinlaut korrigierte man dies einige Tage später.
     Interessant auch, dass sich die ZEIT von den Behauptungen des Mitveranstalters ARD distanzierte, was nicht gerade ein gutes Licht auf die Abstimmung zwischen den Verantwortlichen wirft. »Hier diskutieren eben mehr ZEIT-Abonnenten mit als ARD-Zuschauer«, hieß es sogleich in spöttischen Stellungnahmen.
     Mittlerweile scheinen die Fronten verhärtet, und jede Seite wirft der anderen vor, mit »Ideologen« nicht mehr diskutieren zu wollen.
     Welche Auswirkungen dies auf den Wettbewerb in diesem und im nächsten Jahr hat, bleibt abzuwarten. Insider prognostizieren für nächstes Jahr schon eine entsprechende Gegenveranstaltung zum Pegasus, den es dann vielleicht nicht mehr geben wird, weil ihm die Sponsoren fehlen.

Gero von Büttner
21.11.1998

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Gero von Büttner lebt als freier Publizist in Überlingen am Bodensee

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