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Der gestresste Schweinbraten
von Ingrid Höttinger

Es war einmal ein Schweinebraten,
der konnt' partout es nicht erwarten,
auf dem Sonntagstisch zu landen.
... Doch jedes Ding braucht seine Zeit.

Blassrosa und recht unscheinbar
lag der Schweinebraten da.
Endlich kam die Frau des Hauses
und rieb das Fleischstück kräftig ein
mit Knoblauch, Salz und Pfeffer,
aber auch Kümmel musste sein.
Voll Freud' der Braten da entdeckt:
Er ist nicht blass, er ist gefleckt.

Und schon wird er ins Rohr geschoben.
Einmal heraus, einmal hinein -
diese Tortour muss wohl so sein.
Doch mit der Zeit wird er 's gewohnt.
Wenn ihn beim Essen alle loben,
wird reichlich er dafür belohnt.
Fleißig gießt die Köchin auf.
Wie das zischt und wie das spritzt!
Denn Fleisch und Rohr sind schön erhitzt.
Und immer noch: Hinein, heraus
geschoben wird der Sonntagsschmaus.

Langsam wechselt er die Farbe.
Wie in seinem schönsten Traum
glänzt er goldgelb, knusprig braun.
Karotten kommen in die Pfanne,
Tomaten und auch Paprika.
Der Braten denkt: "Oh, nein, oh nein!
Was alles kommt denn da herein!
Jetzt werde ich noch richtig bunt!"
Und frohgemut und heiter
brutzelt der Sonntagsbraten weiter.

Bratenduft streicht durch das Haus.
Doch immer noch: Hinein, heraus!
Gestresst stöhnt da der Braten auf:
"Hört das Geschiebe niemals auf,
und dieses ewige Begießen?
Langsam könnt ihr das vergessen,
denn ich bin fertig, wie ihr seht -
ihr könnt mich schon genießen!"

Da hört er rufen auf dem Gang:
"Papa, Kinder, kommt zum Essen!
Wo bleibt ihr denn so lang?"

Auf seinen Platz sich jeder setzt.
Papa das große Messer wetzt ....
"Jetzt", denkt der Braten, "jetzt okey,
im Mittelpunkt ich endlich steh'!
Endlich ist das Werk gelungen!"
Fast wär' vor Freud'
er aus der Pfann'gesprungen.

Ein Stündchen später - es geschah -
dass von ihm kein Stück mehr da.
Den Braten hat's einmal gegeben ...

So ist es halt - so ist das Leben!

© by Ingrid Höttinger. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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