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Rationen
von Klaus Heyne

Schweiß rinnt mir von der Stirn ins Auge. Es brennt ekelhaft. Jens und ich wuchten bei unnatürlich hohen Sommertemperaturen die schweren Rucksäcke durch die lappländische Wildnis. Insgesamt knapp 80 kg Marschgepäck haben wir uns auf die Rücken gehängt, wovon mehr als die Hälfte Proviant darstellt. Während der 3-wöchigen Wanderung stellt der Rucksack die einzige Bezugsquelle für Nahrungsmittel dar, denn hier im Sarek-Nationalpark gibt es nur eines reichlich: Natur pur. Doch selbst Beeren findet man in den oberen Höhenlagen nicht. Der Energienachschub für die täglichen Kraftakte über Stock und Stein zu stolpern, rekrutiert sich vornehmlich aus Trockenfutter in Form von Milchpulver und Müsli, Energieriegeln, Schokolade und diversen Instant Pasta- und Kartoffelgerichten aus der deutschen Fast-Food-Landschaft. Dennoch bilden die letzteren am Ende jeder Etappe das kulinarische Highlight des Tages. In der mittleren Körperregion herrscht unterschwellig ein permanentes Hungergefühl vor. Die Intensität dieses gefühlten Notstandes bestimmt letztlich die tägliche Wahl des herzustellenden Abendmahls. Das geflügelte Wort „weniger kann oft mehr sein" stößt in diesem Zusammenhang bei uns auf taube Ohren. Manchmal geht Quantität eben doch vor Qualität.Heute ist der 5. Tag. Die Paßüberquerung mit etwa 800 steilen Höhenmetern und die Watstelle durch den hüfttiefen Fluß waren nicht gerade ein Spaziergang. Hier sind einige Kalorien verbraten worden. Für solche Tage der Erschöpfung halten die tragbaren Gepäckcontainer eine besondere Leckerei bereit: echte, lebende SALAMI. 40 cm lange Stengel der Glückseligkeit. Fünf Stück davon warten darauf, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Gedankenverloren sitze ich auf meinem Pausenstein und male mir aus wie wir mit angespitzten Stöcken vor dem kleinen Lagerfeuer sitzen. Zwischen uns ein Vorrat an Salamischeiben. Einmal gefaltet und aufgespießt wird das aus deutschen Landen frisch importierte repräsentative Beispiel der Fleischerkunst erwartungsvoll in die offenen Flammen gehalten. Während das herauslaufende Fett unter der Hitze laut zischend ins Feuer abtropft, verdichtet sich die Konsistenz der Wurstscheibe, rollt sich ein wenig ein und nimmt gleichzeitig eine dunklere, stellenweise mitunter schwarz nicht unähnliche, Färbung an. Heiß ist die Wurst - und LECKER. Es schmeckt nach mehr und immer mehr und wir lecken uns im wahrsten Wortsinne alle Finger danach. Weniger kann manchmal doch mehr sein!

© by Klaus Heyne. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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