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Die exportierten Kässpatzen
von Brigitte Günther

Wenn ich es mir recht überlege, so gibt es eigentlich kein Essen, mit dem ich so viele angenehme Erinnerungen verbinde wie mit Kässpatzen, diesem Allgäuer Nationalgericht, über das in nicht eingeweihten Kreisen die obskursten Vorstellungen herrschen, das aber in ebendiesen nicht eingeweihten Kreisen stets auch den größten Anklang findet. Eines Tages bot sich mir, quasi über Nacht, die günstige Gelegenheit, eine Gruppe nach Kanada, genauer gesagt nach Toronto, zu begleiten. Dort konnte ich bei Freunden wohnen. Beim Kofferpacken flog mir plötzlich die Idee zu, den kanadischen Speisezettel mit unseren vielgeliebten Käsknöpfle zu bereichern. Mein Aufenthalt jenseits des großen Teiches fiel in die Osterzeit. Für Karfreitag stand heimatliches Fastenessen auf dem Plan. Meine Gastgeberin versorgte mich mit den wichtigsten Zutaten und ließ mich dann allein in der Küche hantieren. Eine Plastikschüssel, eine Tüte Mehl, Salz und Eier standen auf dem Tisch bereit. Ich mischte das gewohnte Quantum Mehl mit Salz, Eiern und Wasser und schlug den Teig mit dem Kochlöffel, bis er Blasen warf, doch, oh Schreck, die Schüssel war meiner Kochwut nicht gewachsen: Ein Scherben brach aus dem Schüsselboden heraus, und ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun, die teigige, klebrige Masse zu zähmen und zu retten, was noch zu retten war. - Neue Schüssel, neuer Versuch. Bald merkte ich, dass Mehl nicht gleich Mehl ist, was mir sicher jede Hausfrau bestätigen kann. Ich weiß nicht, was diesem weißen Pulver beigemischt war: Der Teig wurde immer mehr und mehr und mehr. Der „Zauberlehrling fiel mir ein: „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los." Angesichts der Riesenmenge versuchte ich unsere Gastgeber zu beruhigen: „Das schmeckt auch aufgewärmt noch gut, in der Pfanne, mit Öl und Butter noch mal rausgebacken." über mir hing der betörende Geruch von Butter und Zwiebeln. Spätzle, Käse, Spätzle, Käse, Spätzle, braune Zwiebeln. Es war vollbracht! Erwartungsvoll-skeptisch saß die Familie am Tisch. Käsefäden spannten sich zwischen Schüssel und Tellern, als ich die Portionen verteilte. Und die Leute futterten und futterten und futterten. Nichts, aber auch gar nichts blieb übrig. Am nächsten Tag musste ich alles wiederholen und unsere Freunde luden noch Freunde ein. Mein Spatzenhobel ist seitdem in Toronto!

© by Brigitte Günther. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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