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Verführerischer Nasenreiz
von Franz Eiermann

Manchmal wundere ich mich darüber, wie banale Anlässe längst vergangene Erlebnisse ins Gedächtnis rufen. Was einem so alles durch den Kopf geht, wenn zum Beispiel ein bestimmter Duft die Nase trifft, erlebte ich dieser Tage, als Fritz und ich in der Mittagspause über den Markt bummelten.
„Riechst du das auch, fragte er und schnupperte prüfend in die Gegend. Mir viel nichts besonderes auf und so antwortete ich: „ Nein, was meinst du?"
„Was hast du nur für eine Nase", motzte Fritz, „es riecht nach Kartoffelpfannkuchen", und schon erzählte er:
„Mit diesen Dingern kann ich mir den Bauch voll schlagen bis zum Gehtnichtmehr, andere übrigens auch. In der Altstadtgasse, wo wir früher zu Hause waren, kamen sich die Häuser auf beiden Seiten mit jeder Etage ein Stück näher. Wir wohnten im Dachgeschoss, fast konnte man dem Gegenüber die Hand reichen. Wenn dann in der Küche die Kartoffelpfannkuchen sich auf dem Teller stapelten, flogen immer einige davon wie Ufos hinüber zu den Nachbarn, die der köstliche Duft ans Fenster gelockt hatte."
„Na und", unterbrach ich ihn, „deshalb muss ich sie doch nicht riechen."
Er sah mich strafend an und erwiderte: „Stand so ein Festessen auf dem Speiseplan, war ich, in erwartungsvoller Vorfreude auf dieses Ereignis, stets bereit, die rohen Kartoffeln auf dem Reibeisen zu zerkleinern. Dass dabei die Fingerkuppen bluteten, war unwichtig, der spätere Genuss wog das wieder auf."
Auch mich reizte mittlerweile der appetitanregende Geruch und neugierig geworden hörte ich seinem weiteren Bericht zu:
„Wenn meine Mutter oder meine Frau verlauten ließen: ‚Morgen gibt's Kartoffelpfannkuchen', war jedem klar, dass am nächsten Tag die ganze Verwandtschaft sich um den Tisch versammelte. So schnell konnten sie gar nicht backen, wie die Kartoffelpfannkuchen in den Mägen verschwanden. Ich vermute sogar, dass der Zusammenhalt in unserer Familie, zumindest zum Teil, auf Kartoffelpfannkuchen beruht."
Bei all der Rederei waren wir langsam über den Markt geschlendert, gingen aber immer dem Geruch nach, bis wir endlich vor der Quelle anlangten, einer Pfannkuchenbude. Fritz lud mich zum Essen ein, er wollte mich überzeugen.
Ob es ihm gelungen ist?
„Fritz", sagte ich, auf beiden Backen kauend, „das schmeckt ja noch besser als es riecht." Wir grinsten uns an und verschlangen von diesen Köstlichkeiten eine nach der anderen, bis uns die Uhr wieder an die Arbeit rief."

© by Franz Eiermann. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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