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Mutters Belohnungen
von Anne Christina Remus

Ein arbeitsreiches Wochenende stand uns bevor. Unsere Mutter hatte uns verkündet, dass ihr Wohnzimmer wieder einmal tapeziert werden müsste. Eine Aufgabe für ihre vier Kinder, die inzwischen auch nicht mehr die jüngsten waren. Ich war gerade vierzig geworden und meine älteren Geschwister hatten schon eigene Kinder. Aber wenn Mutter rief, gab es keine lange Diskussion. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann musste es am kommenden Wochenende sein und nicht erst am übernächsten. Wie man sich vorstellen kann, waren wir nicht gerade begeistert. Bis meine ältere Schwester eine gute Idee hatte. Sie wünschte sich von unserer Mutter ein Schaschlik-Essen. So wie früher, wenn wir unseren Eltern vor Weihnachten im Geschäft geholfen hatten. Zur Belohnung machte unsere Mutter uns dann Schaschlik-Spieße. Die Freude auf das bevorstehende Essen ließ uns die unliebsame Arbeit etwas erträglicher erscheinen. Als es soweit war, machten wir uns ohne Zögern an die Arbeit. Nach einer guten halben Stunde waren wir ein eingespieltes Team und das Tapezieren ging uns zügig von der Hand. Meine Mutter stand in der Küche und bereitete die Spieße vor. Sie hatte zuvor Zwiebeln, durchwachsenen Speck, Leber, Rindergulasch und Leberkäse in Stücke geschnitten. Anschließend legte sie die Schaschlik-Spieße in eine große Pfanne. Nach dem Braten nahm sie die Spieße aus der Pfanne und stellte sie in den Backofen. Dann legte sie geschälte und in Stücke geschnittene reife Bananen in die Pfanne und schmorte sie in der Schaschlik-Soße.
Wir wurden mit dem Tapezieren gerade rechtzeitig zum Essen fertig. Doch bevor wir uns an den gedeckten Tisch setzen konnten, inspizierte unsere Mutter erst mal unsere Arbeit. Sie war zufrieden und wenige Minuten später servierte sie uns die Schaschlik-Spieße mit den Schmor-Bananen. Dazu gab es getoastetes Weißbrot. Wir ließen es uns schmecken.
"Wenn ich mir die Küche so ansehe, dann müsste die auch mal wieder neu tapeziert werden", sagte meine Mutter plötzlich.
Wir schauten sie alle erschrocken an.
Meine Schwester fand als erste die Sprache wieder: "Dann machst Du uns aber bitte Holsteiner Schwemmklöße mit Backobst. Die habe ich auch schon so lange nicht mehr gegessen".
"Eine tolle Idee", erwiderte ich. "Aber wie wird Mutter uns die machen können, wenn wir die Küche abbauen und tapezieren?"

© by Anne Christina Remus. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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