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Futtern wie bei Muttern
von Katharina Biedenbender-Heim

Mein Magen knurrt. „Schätzchen, ich hab' so richtig Lust fein essen zu gehen. Was meinst du? - „Hm", brummt es aus der Zimmerecke. „Wohin?" - Ich denke nach. Mir ist nach was Besonderem, etwas Ausgefallenem. „Mir ist heute nicht nach null acht fuffzehn. Liebling, mir schwebt mal was richtig chices vor. So mit allem drum und dran eben. Was Feines, mit Flair." - Ich hätte es mir denken können. Diese Ansage hat in erschreckt. Die Reaktion aus der Zimmerecke hat wieder ein tiefes Brummen hervorgerufen. „Chic, was heißt denn das? Chic?" Oh weh, das hört sich nicht gut an. Mein Herzallerliebster erweckt mir nicht gerade den Eindruck als könne er nachvollziehen, was mir so vorschwebt. Wir sind da nicht immer auf einer Wellenlänge, mein Liebster und ich. Manchmal prallen da Welten aufeinander. Wenn ich sage „chic essen gehen", dann meine ich Schlemmen und Genießen. Er sagt „essen gehen - aber gut", dann mein er Hauptsache reichlich und satt. Man könnte es schon an der unterschiedlichen Wortwahl erkennen, dass wir beim Essen eine andere Sprache sprechen.
Manchmal, aber wirklich nur manchmal passen unsere Vorstellungen bestens zueinander. Dann gehen wir einfach nur gemütlich aus und essen eine Kleinigkeit. Da gibt es nichts zu deuteln. Doch heute - ich ahne schon Schlimmes, passen wir nicht zueinander.

Ich habe ein nettes, kleines Lokal ausgesucht. Aufmerksame Bedienung. Kleine Tische. Ich sage: Die Portionen sind nicht zu groß." Er sagt: Das ist aber übersichtlich. Das Essen ist nahezu unauffindbar." Mit einem (sündhaft teuren) Aperitif lässt sich die Speisekarte noch mal so gut studieren. Ich schwelge gerade in der Vorstellung einer zweiten Vorspeise da höre ich: „Was soll ich mit einem Melonensorbet, davon wird man nicht satt." - „Schatz, das ist nicht zum satt essen, das ist zum Genießen, ein Leckerchen gewissermaßen." Er höhnt: „Warum schreiben die immer Süppchen, wenn ich eine Suppe will?" Und die Bratkartoffeln, die er schließlich als Beilage bestellt, entpuppen sich als gebratene Kartoffelbällchen. In seinen Augen ein Desaster. Ihm war heute mehr nach einer Lore Bratkartoffeln, Haxe und einem zünftigen Bier. Manchmal klaffen unsere Essgewohnheiten ganz schön auseinander. Wir werden zukünftig vorher abstimmen, ob speisen im Gourmettempel oder futtern wie bei Muttern."

© by Katharina Biedenbender-Heim. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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