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Wenn Oma fünf Mal auftischt...
von Thomas Paulsen

Das ganze Jahr über war die Familie von den Essgewohnheiten her unauffällig. Auf dem Speiseplan, der natürlich in gleichberechtigter Kooperation mit Oma erstellt wurde, war alles zu finden, was es in einer ganz normalen Familie so zu Essen gibt. Wenn die Küchenvorsitzenden dem Nachwuchs besonders wohl gesonnen waren, gab es auch die beliebten Pommes - allerdings nie ohne spezielle Protestnote der Oma: Sie ließ es sich bei drohenden Amerikanismen in der Heimatküche nicht nehmen, die Currywurst um Speckbohnen zu bereichern - auf denen Oma übrigens regelmäßig sitzen blieb.

Das Können der Küchenmeisterinnen fand an einem Abend im Jahr seinen absoluten Höhepunkt. Heiligabend, das war wie die Entzündung des küchenolympischen Feuers… und besonders die überdrehte Oma hatte stets Sonderaufträge für mich auf Lager. Meist waren es ausgefallene Dinge, die noch besorgt werden mussten. Ausgerechnet ich musste dann los und sie irgendwie finden. Kardamom! was ist eigentlich Kardamom? Es war immer die gleiche Qual: das Outing als Supermarkt-Neurotiker, die Suche nach einer Verkäuferin und dann die "Kleiner Junge-Nummer", bei der ich mitleidig aus der Kühlabteilung heraus zum Backregal geführt wurde.

Heiligabend wurde es dann still, der Dampf der Kochtöpfe legte sich über alles, was da explodiert war. Frohe Weihnachtswünsche - dann ging es zur eigentlichen Bescherung. Vom Schmalzbrot über die Krabbensuppe, Ente mit fünf Beilagen, Käseplatten und schließlich Zimtkuchen mit Kardamom wurde jetzt alles liebevoll aufgetischt, was die Kochkunst hergegeben hatte. Besonders Oma blieb angriffslustig bis zum Schluss. „Junge, ein kleines Stück noch. Du kannst es dir doch leisten!" Ohne meine dezente Ablehnung abzuwarten, füllte Oma mit funkelndem Blick nach. Besonders bitter wurde die Szenerie, als sie von Mama gestützt mit dem Bräter auf mich zukam. "Nun tu doch Oma den Gefallen", fiel mir Mama stets in den Rücken. Nach Omas gut gemeintem Zimtkuchen-Vorstoß war dann wirklich Schluss. Die nächsten Tage brauchte der Körper zur Regeneration – alle Jahre wieder.

Das ist schon lange her…neulich habe ich von Oma geträumt, wie sie mit der Rührschüssel im Arm traurig am Fenster steht und wieder auf mich wartet. Wir sollten vielleicht Heiligabend einfach 'mal wieder nach Hause gehen….irgendwie fehlt etwas, an das man mit Leib und Seele einfach gern zurückdenkt - aber so wie damals wird es doch heute nicht mehr sein…..oder doch?

© by Thomas Paulsen. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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