CMA - Bestes vom Bauern Das Literatur-Caf� - Der literarische Treffpunkt im Internet
 
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Hungrige Seele
von Marion Müller

Ich sitze im Bistro, eingepfercht zwischen zahlreichen kleinen Tischen. Ein Großteil ist besetzt und der Geräuschpegel entsprechend hoch. Neben mir sitzt eine Clique, die sich lautstark unterhält. Eine junge Frau schimpft auf Italienisch in ihr Handy hinein und eine Tabakwolke, die von ihrem Glimmstängel langsam zu mir herüberschwebt, verbreitet nicht gerade einen angenehmen Geruch. Na ja, essen könnte ich sowieso nichts. Nur bei einem Milchkaffee meinem Liebeskummer nachhängen. Dabei versuche ich, die immer wieder aufsteigenden Tränen wegzublinzeln.

Links von mir wird gerade Kartoffelschaumsuppe mit Kerbel-Sahne-Häubchen serviert. Der Duft steigt mir in die Nase. Soll ich vielleicht doch etwas essen? Jetzt bekommt die Clique rechts von mir aufgetischt. Nudeln, Nudeln, Nudeln … Mit Tomatensoße, mit Pesto, mit Spinat-Sahne-Soße und mit einem großen Korb Baguette. Natürlich darf eine Karaffe Rotwein nicht fehlen. Sofort kehrt Ruhe ein und wie auf Kommando fängt mein Magen ganz laut an zu knurren – wie peinlich! Ein Baguettekorb schiebt sich von rechts in meine Sicht. In die Richtung blickend, aus der er kam, sehe ich in die lächelnden Gesichter meiner Nachbarn. Welche Wohltat für mein Gemüt! Ich bediene mich und komme auf den Geschmack. Sofort bestelle ich: "Ein Glas halbtrockenen Rotwein und eine Kartoffelschaumsuppe, so wie meine Nachbarn hier", deute dabei auf den Tisch links neben mir. Da sitzt aber mittlerweile ein älterer Herr. Sein Blick lässt mich genau erkennen, was er denkt: Die hat sie nicht mehr alle! "Äh, ich meinte wie das junge Paar, das eben noch hier saß." Die Bedienung nickt mir zu und entschwindet in Richtung Theke.

Kurz darauf bekomme ich ein riesiges Glas serviert, in dem ein kleines bisschen Flüssigkeit hin und her schwappt. Das wird mir aber nicht reichen, denke ich. Trotzdem, die dunkelrote Farbe gefällt mir und während ich probiere, atme ich das intensive Bukett des Weines ein. Da wird auch schon mein Essen serviert. Ich genieße den cremigen Geschmack des Kerbel-Sahne-Häubchens auf meiner Zunge. Fast könnte ich sagen, mir geht es blendend – da ertönt aus dem Radio "She believes in me”! Das Weinglas vor mir beginnt langsam zu verschwimmen. Ich greife danach und während mir jetzt doch eine Träne runterkullert, murmele ich: "Auf dein Wohl, mein Lieber! Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie sehr ich mich in dich verliebt habe! Du bist ein Traum und gerade dabei, mir das Herz zu brechen!"

© by Marion Müller. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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