Reisetagebuch England - Gero von Büttner berichtet online aus England vom 15. Juni bis zum 5. Juli 1998
 
Die Route
heute

Chepstow
Tintern Abbey

Donnerstag, 25. Juni 1998

Tintern AbbeyBeim Verlassen von Swansea kommen wir an einem der zahlreichen Kriegsdenkmäler vorbei. Es fällt mir schwer, hierfür das Wort Mahnmal zu verwenden, denn auf dem steinernen Sockel steht ein frisch lackiertes Geschütz aus dem zweiten Weltkrieg, welches so gut erhalten scheint, dass man es wohl jederzeit nochmal einsetzen könnte. Auch dort, wo es eigentlich nicht notwendig wäre, wird auf das Soldatenleben hingewiesen, wie z.B. in der Ausstellung über das Dartmoor in Princetown, wo wir letzte Woche waren. Neben Schaubildern zur Geschichte und der Tier- und Pflanzenwelt der Moorlandschaft, findet sich auch eine Ecke, in der eine als Soldat gekleidete Puppe unter einem Tarnnetz liegt, und ein darüber montierter Monitor zeigt, dass auch die Armee im Dartmoor spannende Manöver abhält, um für den Krieg zu üben. Einen merkwürdigen Eindruck hinterlässt auch die Werbung für die »Army«, die hier im Fernsehen gezeigt wird: In schnellen Schnitten wird aus der Sicht eines Soldaten eine Kriegssituation geschildert. Man hört erschöpfte Atemgeräusche, und immer wieder geht der Soldat nach kurzen Sprints in Deckung, und man sieht kurz die Silhouetten der gegnerische Soldaten und Fahrzeuge. Dazu der Text in etwa sinngemäß: »Was sollte man in dieser Situation tun? Versuchen, der Gefahr zu entkommen oder den Feind angreifen?« Dann erkennt man, wie die Finger des Soldaten einen tragbaren Computer bedienen, und die Fahrzeuge mit den feindlichen Soldaten explodieren in spektakulären Feuerbällen à la Hollywood. Dann wieder der Text als Antwort auf das Gesehene: »Beides! Denn du wurdest gut für diese Situation ausgebildet.« Das Ganze, wie erwähnt, eine Werbung für die Armee. In den Buchhandlungen darf die Ecke mit den Kriegsbüchern nicht fehlen und immer wieder die Kriegsdenkmäler mit heroischen Soldatendarstellungen. Ich gewinne bei meiner Reise durch dieses Land den Eindruck, dass man hier wohl eine ganz andere Einstellung zum Krieg hat. Man scheint ihn als notwendig zu erachten, aber nicht unbedingt als notwendiges Übel. Immerhin hat der Falklandkrieg vor über 15 Jahren das letzte mal gezeigt, dass England die bewaffnete Auseinandersetzung nicht scheut. Vielleicht mag mein Bild falsch und einseitig sein, aber der Eindruck drängt sich leider des öfteren auf.
     Doch zurück zur Reiseroute: Wir fahren die M4 nach Osten und stoppen in Chepstow, wo wir die dortige Burg besichtigen. Vor der Ruine sitzen mindestens fünf Maler vor ihren Staffeleien und fertigen ein Bild des Gemäuers an. Das wiederum erinnert mich an eine bemerkenswerte Sendung, die hier jeden Tag im Fernsehen zu sehen ist: »Watercolor Challenge«. In dieser Sendung malen jeweils drei Hobbykünstler in freier Natur ein Motiv. Hierzu haben sie vier Stunden Zeit, und am Schluss kürt eine Expertin, die zwischendurch den Zuschauern wertvolle Tipps für das eigene nächstes Aquarell gibt, das Siegerbild. Und immer wieder schreitet eine wahnsinnig an der Sache interessierte Moderatorin durch's Bild und schaut den Künstlern verzückt über die Schultern. Ja, das ist doch wirklich mal eine nette Show-Idee ohne grölendes Publikum und gekauften Studiogästen.
Tintern Abbey     Wir erreichen anschließend die alte Zisterzienserabtei von Tintern, die im 13. Jahrhundert im malerischen Why-Tal erbaut wurde, nachdem das Kloster selbst bereits im Jahre 1131 gegründet wurde. Nach der Abspaltung der anglikanischen Kirche von der Glaubenskonkurrenz in Rom, wurde das Kloster aufgelöst, und heute steht nur noch die sehr gut erhaltene Ruine.
     Mit Akribie und vier verschiedenen Mähwerkzeugen wird der Rasen rund um die ehemaligen Klostermauern getrimmt. Vor gut 200 Jahren mögen die Mauern weitaus verwilderter gewesen sein, und das Gebäude ließ hier manchen Romantiker verweilen; darunter auch den Maler William Turner, der die Ruine in einem Bild mit verwegener Lichtstimmung festhielt. Heute sieht’s zwar aufgeräumter aus, aber dennoch lassen sich gute Fotos machen.

Tintern Abbey
Die Kathedrale von Tintern

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