Ein Brief von Martin Goldmann

Der Horsbacher Fuchs (Cover)

Lieber Ewald,

komisch – immer um Weihnachten begegne ich alten Freunden und Bekannten. Allerdings nicht auf die albekannte Weise eines persönlichen Aufeinandertreffens, sondern in ihren Werken.
     Vor zwei Jahren traf ich Bertold mit einer seiner CDs im Saturn Hansa in Nürnberg. Ich kaufte sie und noch eine zweite. Winter war es und ich hörte die CDs im Auto während ich auf einen Käufer für meinen alten rotweißen Fiat wartete, den ich in einer Art Glauben an die Wiedergeburt eines Fahrzeuges jahrelang in einer Garage bei Veitsbronn aufhob. Immerhin haben sich Bertold und ich seither wieder einmal getroffen. Vermutlich seht ihr euch öfter – grüße Ihn bitte von mir.
     Dass ich für meine Verhältnisse gerade etwas geschraubt schreibe, liegt an der Lektüre des Horsbacher Fuches eines gewissen Ewald Arenz. Woher nimmst du bloß die Worte? Oder bin ich durch Jahre der Gebrauchsliteratur so degeneriert, dass sich mein Wortschatz auf »Klicken Sie mit der Maus auf das Disketten-Icon...« und ähnliches reduziert?
     Ich musste bei der Lektüre deiner Erzählungen also immer wieder aufblicken, in den kalten Winterhimmel sehen und mich fragen »was meint er damit?«. Was zum Donner ist ein »Beischlag« und wie groß ist ein Dorsch? Wie groß muss ein Fisch sein, um hin und wieder in einer Geschichte als Metapher herzuhalten?
     Meine Mutter war es, die dich unter unseren zu einigen hübschen Tannenzweigen reduzierten Ex-Weihnachtsbaum legte. Sie konnte nicht anders.
     Und vielleicht bin ich mittlerweile alt genug, um mich mit einer Art Literatur auseinander zu setzen, die in ihrer Art eigenwillig anachronistisch ist und vor Melancholie nur so überströmt, bisweilen sogar etwas Horror aufkommen lässt – vor allem dann, wenn du Uwe Dlauhy beschwörst. Freundlicherweise verfällst du dabei nicht ins kitschig-melodramatische. Und die meisten Sätze kapiere ich sogar.
     Leider zwingt dein Schreibstil zum aufmerksamen Lesen. Ich habe mir in den letzten Jahren eine Art angeeignet, Texte immer querzulesen. Das lernt jeder, der sich mit Texten herumschlagen muss, die irgendwelchen geistlosen Autoren der Computer-Branche entsprungen waren. Und dichterische Freiheit gibt es bei uns nicht. Der Leser ist beliebig dumm, unsere Texte möglichst einfach. Freilich, es ist eine Kunst, immer kurze Sätze zu schreiben. Doch ich fürchte, ich muss erst eine zweiwöchige Schulung mitmachen, um wieder eine verschachtelte Relativkonstruktion herzustellen.
     Doch was soll es – ich lebe ganz gut davon, muss allerdings in einem grausam langweiligen Kaff namens Putzbrunn mein Dasein fristen. Mein Buchprojekt (ja, auch ich träume von der Belletristik) schleppt sich seit bald vier Jahren dahin und ist immerhin schon auf rund 110 Seiten angewachsen. Nur der Faden ging mir verloren, und der Druck fehlt, diesen wieder aufzunehmen. So nehme ich mir schon seit anderthalb Jahren vor, endlich einmal einen oder zwei Verlage mit Teilen aus dem Manuskript anzugehen, mir einen Vertrag zu holen, der mich bindet. Nur dann werde ich wohl mit dem Ganzen fertigwerden – bei den Sachbüchern ging es auch nicht anders.
     Was gibt es sonst noch von mir zu erzählen. Ich bin nach wie vor kinderlos – das ist gerichtlich festgestellt, habe seit vier Jahren dieselbe Freundin (sie ist vor ein paar Wochen ausgezogen), fahre immer noch Rettungsdienst und bin selbstständig.
     Und was treibst du so? Immer wieder berichten Reisende aus Fürth von einer schemenhaften schwarzen Gestalt, die sich per Veloziped durch die City bewegt – der Fürther Radler? Ich hörte, du würdest an unserer alten Anstalt bisweilen lehren, hättest Englisch auf Lehramt studiert?

Mach’s gut

Martin

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