Eine »Ouvertüre« für kommende Diskussionen
Wolfgang Tischer über die Nullnummer von »Babylon 1.7«

Babylon, das wissen auch nicht bibelfeste Menschen, steht für die Entstehung der Sprachen, für Sprachverwirrung im negativen und Sprachvielfalt im positiven Sinne. Und »Babylon 1.7« heißt ein Cross-Media-Projekt, das neben einer Website auch einen gedruckten Ableger besitzt. Dessen Nullnummer mit dem Titel »Liebeserklärung an die Medien« kommt ebenfalls allein schon optisch verwirrend daher. Die Zeitschrift - wenn wir sie so nennen wollen - besitzt einen soliden Tragegriff, mit der sie zusammengeklappt wie eine Einkaufstüte getragen werden kann. Der Einband schimmert wie Seide grünlich-rosa im Licht und trägt den Projekttitel »Babylon 1.7« als noble Prägung.

Auch die 40 Innenseiten lassen das Herz jedes Bibliophilen und Typographieliebhabers höher schlagen: Auf hochwertigem Papier finden sich exklusiv und individuell gestaltete Seitenlayouts. Keine Doppelseite ist identisch mit der anderen und fügt sich doch in ein schönes künstlerisches Gesamtbild. Dass bei diesem Aufwand die Schutzgebühr nur 30 DM/15,34 EUR/25 SFR beträgt, ist sicherlich dem Sponsor zu verdanken, denn kommende Ausgaben werden (vermutlich ohne ihn) teurer werden.

Natürlich spiegelt Typographie und Gestaltung den Zeitgeist wieder, doch ist dieser hier auch Thema. Babylon will die verschiedenen Stimmen der »end of print«-Diskussion zusammenbringen, ohne sie zusammenführen zu wollen. Vielleicht mag man verwundert sein, dass diese überhaupt noch ernsthaft geführt wird, denn letztendlich ist das vielzitierte »Ende des Gutenberg-Zeitalters« schon lange vor den so genannten neuen Medien eingetreten.

Die schön gestalteten Texte des Buches muss man daher wirklich als Platzhalter für kommende Diskussionen verstehen. Das wissen auch die Herausgeber, die diese als »Ouvertüre« bezeichnen, die zur Diskussion anregen soll. Die meisten Texte der Nullnummer lesen sich in Ihrer Oberflächlichkeit und Worthülsendichte derzeit wie Werbetexte, und über Stephen Kings gestopptes eBook-Projekt »The Plant« sind solch unsinnige Sätze zu lesen, wie: King habe »seinen Laptop zugeklappt und verkauft wieder bedrucktes Papier per Kilo«. Einmal abgesehen von der Tatsache, dass auch Kings Romane noch nicht zu Kilopreisen gehandelt werden, dürften die gedruckten Texte genauso auf dem Computer verfasst worden sein.

Es ist den Herausgebern zu wünschen, dass ihre »Ouvertüre« Gehör findet und in der ersten »echten« Ausgabe kompetente Fachleute die Diskussion sachkundig und vertiefend fortsetzen, sodass sich die optische Qualität und Detailverliebtheit auch inhaltlich fortsetzt.

Wolfgang Tischer

Babylon 1.7 - Eine Liebeserklärugn an die Medien
Herausgegeben von der Arbeitsgruppe Babylon 1.7
Hopfenstraße 10/Postfach, CH-8045 Zürich

Die Ausgabe 00/2001 ist gegen eine Schutzgebühr von 25 SFR/15,34 EUR erhältlich, künftige Einzelausgaben sollen um die 50 EUR kosten.

Weitere Infos auch zur Bestellung finden sich auf der Website www.babylon17.ch

 


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