Drei Seiten wie immer: eine Woche aus Schillers Leben
Albrecht Metzger liest zu Wendelin Niedlichs 70. Geburtstag (wenn auch etwas verspätet)

Bedauerlicherweise gehen manche Veranstaltungen - trotz mehrfacher Starbesetzung - in der Fülle der Ereignisse unter. Dabei hat der Abend des 11.9. einiges zu bieten:

  • Wendelin Niedlich (Vorzeige-Enfant-Terrible der Stuttgarter Buchhandelsszene)
  • Albrecht Metzger (Vorzeige-Württemberger, Boss der »Schwabenoffensive« und Ex-Azubi bei Niedlich)
  • Friedrich Schiller (Vorzeige-Klassiker vom Neckar)

»Wir haben die Familie eben klein gehalten« beschwichtigt der Jubilar das Häufchen Gäste, das in den Katakomben der Schmalen Straße 9 zwischen Marx, Engels und Dritter-Welt-Literatur auf klapprigen roten Hockern kauert und nicht recht in Stimmung kommen will. Verlegen nestelt Niedlich an seiner Kompaktkamera herum und versucht sich vage an die späten Sechziger zu erinnern, als Albrecht Metzger noch Buchhändler werden wollte (dass eine Lehre bei Niedlich zum Lebenslauf gewisser Kreise gehört, hat in dieser Region fast schon Sprichwortcharakter).

Als Geburtstagsgruß bietet Metzger eine szenische Lesung des derzeitigen Schwabenoffensive-Programms »Herrgottzack der Schiller«: ein fiktiver Ausschnitt aus dem Leben des schwäbischen Dichterfürsten, ein Konglomerat aus Literaturzitaten, frechen Anspielungen und intellektuellen Querverweisen. Mit seiner vierköpfigen Truppe hangelt sich Metzger im fliegenden Wechsel zwischen Perücken, Rotwein, improvisierten Regieanweisungen und viel Gelächter durch einen Text, der anfänglich noch vor Lebendigkeit sprüht, jedoch nach und nach ins Abstruse abgleitet. Schiller, von einer heftigen Schaffenskrise und übermächtigen Schulden geplagt, brütet über seinem »Fiesko zu Genua«, klaut ungehemmt die Ideen seines Zimmernachbarn Streicher und spannt flugs einem hohen Staatsbeamten die frisch angetraute Ehefrau aus. Ob das wohl gut geht?

Die Story mündet in ein gequältes Happy End und der verqueren Vorstellung, dass Schiller ein ganz schön schräger Kerle gewesen sein muss. Wenn wir das nur früher geahnt hätten…

Ingeborg Jaiser
11.09.1997


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