Criminale 2003: Treffen der Literaturtäter

Nessa Altura fasst zusammen, was beim Jahrestreffen der Kriminalschriftsteller so alles los war

Frau Buster
Schreibt jetzt auch Krimis: Frau Buster
Herr Mechtel
Unerkannt: Herr Mechtel
Herr Fiedler
Gut gelaunt: Herr Fiedler
Frau Kramlowski und Frau Maaser
Auch gut gelaunt: Frau Kramlowski und Frau Maaser
Herr Uecker
Schreibender Pastor: Herr Uecker
© aller Bilder bei Nessa Altura
Nun ist sie also wieder vorbei - die Criminale 2003. Veranstaltet wird das größte deutschsprachige Krimifestival alljährlich vom SYNDIKAT, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur. Das Syndikat zählt derzeit mehr als 350 Mitglieder und verleiht auf jeder Criminale den renommierten Friedrich-Glauser-Preis in den Sparten Roman, Debut, Kinderkrimi, Kurzkrimi und Lebenswerk - die »Oscars« der deutschsprachigen Krimiszene.
     Diesmal fand die Criminale im Westerwald statt, der seinem Namen alle Ehre machte: Es war waldig und grün und so frisch wie im allseits bekannten Lied zur Landschaft. Über 5.000 Interessierte und rund 160 Schriftstellerinnen und Schriftsteller (Rekordbeteiligung!) bewegten sich im magischen Dreieck zwischen den Städtchen Westerburg (Zentrales Büro mit der Idealbesetzung Nina Engel), Rennerod und Bad Marienberg.
     Auf den vielen Kilometern, die man im eigenen Auto oder mittels des hervorragend organisierten Shuttleservices bewältigte, gab es immer wieder Gelegenheit zu lebhaften Gesprächen und ruhigen Ausblicken auf idyllische Täler und einen gelegentlichen Fuchs am Waldrand.
     Die Auftaktveranstaltung in der Westerwaldhalle in Rennerod bot für jeden etwas: dramatische Filmmusiken und einen temperamentvollen Dirigenten, der gleich sein Taktstöckchen in die Menge schmiss, den gut gelaunten Ministerpräsidenten Kurt Beck, die eloquenten, trinkfesten Ortsbürgermeister in einer Talkrunde mit Westerwaldautor Roger Fiedler und Syndikatssprecher Horst Eckert, den Tenor Johannes Kalpers und den dynamischen Musikkabarettisten Lars Reichow.
     Für viel kontroverse Diskussion an den Frühstückstischen am nächsten Morgen sorgte der Auftritt von Neumitglied Dolly Buster, die mir großzügigerweise nebenstehendes Brustbild gestattete. Sie verstand es, durch ihren überwältigenden Barbielook und ihre Schlagfertigkeit zu verblüffen.
     Die folgenden Tage sahen immer wieder Grüppchen von Autoren, die sich auf den Wegen von und zu Lesungen in Schulen, Schluchten, Burgen und Wohnwagen trafen. Dank des handlichen Autorenverzeichnisses und der raffinierten Kongressausweise, die aus einer winzigen CD-Rom bestanden, erkannte man einander sofort und begann unverzüglich mit dem Erfahrungsaustausch, der ja den unverzichtbaren Gewinn einer solchen Großveranstaltung ausmacht. Am späten Abend konnte dieser im Jägerstübchen zu Westerburg je nach individueller Konstitution mehr oder weniger intensiviert werden.
     Als Lesungsrenner entpuppte sich ein mitternächtlicher Vortrag erotisch-krimineller Geschichten, die in der zu diesem Zweck eigens zugänglich gemachten hochromantischen Westerburg stattfand. Zu den weiteren Attraktionen gehörten die nachmittäglichen Seminare zu den Themen Rezitationstechnik, Facts und Fiction und Internet, sowie eine hervorragend besuchte Podiumsdiskussion über grausige Mehrfachmorde aus dem wirklichen Leben. Was Prof. Johann Glatzel (psychiatrischer Gutachter) und Hermann Gläser (pensionierter Soko-Leiter) dazu zu sagen wussten, ließ manchem Krimiautoren das Blut in den Adern gefrieren. Interessant auch die kokette Aussage des Kriminalbeamten, dass er sich nun nach langen Dienstjahren einen nahezu perfekten Mord vorstellen kann. Wer da uninspiriert die  Konrad-Adenauer-Schule verließ, dem war nicht zu helfen.
     Es gab natürlich noch viel mehr: im Kino die Uraufführung eines Tatortkrimis, Krimi-Theater, die Bestenlesung der Preisträger und und und. Neben dem Kontakt zu den Kollegen (eine wie immer erfreulich unprofessionelle Vollversammlung, in der die beliebte Sprecherin Rebecca Gablé verabschiedet und ihre Nachfolgerin Ilka Stitz inthronisiert wurden), gestaltete sich auch der Kontakt zu den »Wällern« bestens - sie sind mir als außerordentlich feierfröhliches Völkchen aufgefallen. Es gab kaum einen Abend in unserem Quartier in der Hubertusklause zu Bad Marienberg, der nicht mit unbestellten Bieren, knalligen Schlagern und Gelächter endete.
     Auch die Schlussveranstaltung in der Stadthalle Westerburg zeigte ein ähnliches Bild: die Westerwälder hielten den Saal schon eine halbe Stunde vor Beginn besetzt, ertrugen tapfer die Laudatios und Ansprachen der Preisträger, kommentierten wohl wollend die örtlichen Tangotänzer und tanzten später - sofern unter 25 - begeistert zu den frenetischen Klängen der Blu:z Brothers, derweil die Autoren sich im Foyer angeregt unterhielten. Absolut überzeugend war der Auftritt der Cöllner Canzonisten, die einen Masochistensong (neben anderem) hinlegten, der es feurig in sich hatte.
     Die Veranstaltungsorte der Criminalen sind bis 2009 vergeben. Die nächste findet am Niederrhein statt (mit Kunstausstellung und Anthologie).

Weiterführende Links zum Thema:
Im Cafe: »Morden in Mosbach« - Die deutschsprachigen Krimischriftsteller des SYNDIKATS trafen sich zur Criminale 2001.
Im Cafe: »Criminale 2004: die harte Welt des Krimischreibens« - Nessa Altura fasst wieder zusammen, was beim Jahrestreffen der Kriminalschriftsteller an Niederrhein so alles los war.
Im Cafe: »Reich und berühmt durch einen Literaturpreis?« - Ein Interview mit den beiden Glauser-Gewinnern Nessa Altura und Hartmut Mechtel.

Nessa Altura

Die Autorin des Beitrags: Nessa Altura ist Autorin und selbst Glauser-Preisträgerin. Besuchen Sie sie doch mal wieder in Urspring ... da gibts jeden Monat im Newsletter was Neues von den vier Damen Pauline, Marie, Jenna & Leontin: Geschichten, Geheimnisse, Geständnisse und Lügen, ja, auch die ... http://www.nessaaltura.de.

23.05.2003


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