»Ich schickte einfach mal ein paar Personen los«

Interview mit der Internet-Literaturpreisträgerin Susanne Berkenheger

Susanne Berkenheger, 34, ist Journalistin und lebt in München.
     Ihr Beitrag »Zeit für die Bombe« wurde mit dem Internet-Literaturpreis 1997 der Wochenzeitung
Die Zeit ausgezeichnet. Mit Susanne Berkenheger sprach Wolfgang Tischer.


Literatur-Café: Woher kam die Inspiration zu deinem Text?

Berkenheger: Tja, woher? Das ist schwierig… Ich schreibe eigentlich schon lange auch außerhalb des Netzes. Seit eineinhalb Jahren habe ich nun Zugang zum Internet, sodass ich das, was ich vorher auf Papier geschrieben habe, nun als Hypertext realisiere.
     Ich habe früher schon Texte geschrieben, in denen sich Figuren nicht nur im erzählten Ort bewegen, sondern auch innerhalb des Textes. Da ließ ich schon mal eine Figur, wenn sie zum Beispiel auf Seite fünf zu Wort kommt, sagen: »Tschüs. Ich geh jetzt zum soundso, der wartet auf Seite 33 auf mich!« So etwas kann man natürlich mit Hypertext viel besser umsetzen.
     Mir gefällt vor allen Dingen, dass man das ganze so schnell herstellen kann. Ich habe mir vorher nicht alles überlegt, sondern ich schickte einfach mal ein paar Personen los.

Literatur-Café: Der Text ist also während des Schreibens spontan entstanden.

Berkenheger: Ja genau, allerdings hat sich das »Spontane« sehr lange hingezogen (lacht).

Literatur-Café: Was mir an dem Text sehr gut gefallen hat, war die Tatsache, dass trotz der Hyperlinks eine durchgängige Geschichte entstanden ist und keine ständigen nervenden Wiederholungen passierten, wie das in anderen Texten oft der Fall ist.

Berkenheger: Es gibt allerdings auch eine bewusst eingebaute Wiederholung…

Literatur-Café: …der man es aber auch anmerkt. Wie ist denn die Struktur des Textes entstanden?

Berkenheger: Den Plot, der sozusagen über der Geschichte steht, hatte ich natürlich grob im Kopf. Was ich interessant fand, war die Möglichkeit, den Text so zu verknüpfen, dass er eigentlich nicht funktionieren kann. Ich habe bewusst Sprünge eingefügt, die im normalen Zeitablauf so nicht möglich sind.

Literatur-Café: Also Möglichkeiten, die nur der Hypertext bietet…

Berkenheger: …wobei ich diese Möglichkeiten früher auch schon eingesetzt habe. Nur musste man sich immer irgendwie behelfen, da der Textaufbau nun mal linear war. Daher natürlich die Begeisterung, dass es mit den Hypertexten jetzt tatsächlich möglich ist.

Literatur-Café: Ist der Beitrag speziell für den Zeit-Wettbewerb entstanden?

Berkenheger: Nein, er war eigentlich für meine Homepage gedacht, die ich derzeit gerade entwerfe. Ich habe ihn auch gekürzt, denn ich glaube, er ist jetzt an der äußersten Grenze von dem, was man noch im Internet liest, schließlich wird’s ja auch teuer.

Literatur-Café: Wird man auf Deiner Homepage dann noch mehr Texte dieser Art finden?

Berkenheger: Nein, erstmal nicht, aber ein anderes Projekt, über das ich aber noch nichts verraten möchte.

Literatur-Café: Na, dann sind wir mal gespannt.

Berkenheger: Die Seite wird allerdings zunächst in einer abgespeckten Form erscheinen. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass ich beim Zeit-Wettbewerb gewinne.

Literatur-Café: Das ist doch schön, dass jemand teilnimmt und nicht unbedingt gewinnen will.

Berkenheger: Ja, wobei ich sagen muss, dass man auf jeden Fall von der Teilnahme profitiert, auch wenn man nicht gewinnt. Der Beitrag ist für jedermann in einer Liste zugänglich, sodass man dort ein bekanntes Forum hat, um seinen Text zu präsentieren. Das hat mir letztes Jahr schon sehr gut gefallen, sodass ich mich dieses Jahr entschlossen habe, auch mal selbst teilzunehmen.

Literatur-Café: Und das mit Erfolg. Das Literatur-Café dankt für das Gespräch, und wir warten natürlich alle gespannt auf deine Homepage!

August 1997

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