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StartseiteLiterarisches LebenDruckfrisch in der ARD: Warum schon wieder T. C. Boyle?

Druckfrisch in der ARD: Warum schon wieder T. C. Boyle?

Boyle und Scheck in »Druckfrisch«
Bildquelle: Druckfrisch, Hessischer Rundfunk

Ich muss es auch hier nochmal fragen, obwohl ich schon bei Twitter geunkt habe: Jetzt gleich im Ersten: #Druckfrisch mit T. C. Boyle. Als Gast diesmal: Denis Scheck.

Gibt es denn keine anderen Interviewpartner mehr?

Druckfrisch ist ohne Frage die beste (verbliebene) Literatursendung im Fernsehen. Unvorstellbar, dass man sie vor einiger Zeit der onkeligen Schnarchnase Ulrich Wickert opfern wollte. Wickert ist weg und Druckfrisch zum Glück noch da. Wäre Wickert geblieben, hätten wir gestern im Fernsehen wahrscheinlich das 4. Interview von Wickert mit Günter Grass gesehen.

Stattdessen haben wir nun das 4. Interview von Denis Scheck mit T. C. Boyle gesehen. Oder war es gar schon das 5.? Tatsache ist, dass Scheck nun offenbar zu jedem neuen Buch des Amerikaners nach Kalifornien fliegt, um nett mit ihm in der Sonne zu plaudern. Gestern zu »Hart auf hart«, dem neuen Roman Boyles. Im letzten Jahr war es nicht mal ein neuer Roman. Da war Scheck im März vor Ort, weil eines von Boyles besten Werken (»Wassermusik«) von Dirk van Gunsteren neu übersetzt wurde. Nebenbei: Wäre das nicht die Gelegenheit gewesen, mit diesem großartigen Übersetzer zu sprechen?

2013 saßen Scheck und Boyle schon mal am Strand und sprachen über »Wenn das Schlachten vorbei ist«. 2008 war es wohl, da war Scheck das erste Mal bei Boyle anlässlich »Zähne und Klauen«. Habe ich noch ein(en) B(es)uch vergessen?

Nachtrag vom 27.01.2017: Boyle hat ein neues Buch geschrieben und auch im Jahre 2017 jettet T.-C.-Fanboy Scheck zum Gefälligkeitsinterview in die USA.

So wirklich viel Neues bringen die letzten Gespräche nicht. Es sind eher harmlose saloppe Plaudereien, die mit einer ebenfalls saloppen Übersetzung übertönt werden. Und dass Boyle früher mal Drogen nahm, das sollten jetzt aber auch wirklich alle mitbekommen haben.

Es ist ja auch nichts gegen Boyle und seine Bücher einzuwenden.

Aber muss man jetzt wirklich jedes Jahr zu ihm reisen? Kann das nicht Wolfgang Herles übernehmen? Der hat den Autor immerhin 2012 schon mal in Kalifornien besucht, als Scheck offenbar verhindert war.

Es geht mir jetzt auch nicht darum, dass Herr Scheck mit Gebührengeldern ins sonnige Kalifornien reist, um einen Kumpel zu treffen. Ihnen, Herr Scheck, gönne ich das. Herrn Herles gönne ich es nicht.

Herr Scheck – wenn ich die direkte Ansprache jetzt mal beibehalten darf -, eigentlich stört mich an den vielen Boyle-Besuchen, dass Sie in dieser Zeit doch lieber einen anderen tollen Autor oder eine Autorin hätten vorstellen können. Das machen Sie ja auch, ich weiß. Und ich schätze es, dass Sie vom Donald-Duck-Comic bis zum Fantasy-Epos mit Ihrer Kritik und Ihren Empfehlungen so ziemlich alles abdecken.

Und gerade deshalb sollten Sie uns noch mehr zeigen, als immer wieder Boyle unter der Sonne Kaliforniens.

Gestern haben Sie zum Beispiel den Roman »Konzert ohne Dichter« von Klaus Modick empfohlen. Sie haben den Roman gelobt, und da ich ihn ebenfalls bereits gelesen habe, kann ich mich Ihrem Urteil nur anschließen. Ich hätte es großartig gefunden, hätten Sie lieber Modick in Worpswede vor Vogelers berühmten Gemälde interviewt. Ich weiß, dass Modick ein sehr guter Gesprächspartner ist, der einiges zu erzählen hat.

Aber vielleicht bin ich etwas naiv. Ich kenne die Quoten Ihrer Sendungen nicht. Aber ich weiß, dass Boyle einen großen Fankreis hat. Vielleicht bringt Boyle eine sichere Quote. Da kann man nichts falsch machen. Die Leute wollen das. Und nett ist es mit Boyle sicherlich. »A pleasure as always«, hieß es ja nach dem gestrigen Interview.

Aber als dann am Ende des Gesprächs die Geier über Ihnen kreisten, da dachten die vielleicht, dass die beiden Männer da schon seit Jahren am Strand sitzen und jetzt so langsam lecker verwest sein müssten.

Ich jedenfalls würde mich über mehr auktoriales Frischfleisch in Druckfrisch freuen.

Wolfgang Tischer

Klaus Modick: Konzert ohne Dichter: Roman. Taschenbuch. 2016. KiWi-Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783462049909. 12,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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6 Kommentare

  1. Warum nicht, wenn es ihm gefällt? Daß die Großkritiker ein Failble für die großen Amerikaner haben ist ja nichts Neues und, daß sie vielleicht lieber nach Amerika fliegen, um einen Star zu interviewen, statt sich mit dem kleinen Indie-Autor von Nebenan zu unterhalten warhscheinlich auch nicht.
    Da kann man natürlich sagen, daß das überheblich oder ungerecht ist, es wird aber, glaube ich, überall und nicht nur Dennis Scheck passieren und die Leser können es sich ja aussuchen ob sie zu Boyle, Houllebecq etc oder einen Selfpublisher greifen.

  2. Vielleicht ist es ja immer noch dasselbe Interview, das vor 10 Jahren mal aufgenommen wurde und dann immer häppchenweise rausgeht?
    Mehr Abwechslung fände ich aber grundsätzlich auch gut, wobei ich aber sagen muss, dass ich nur ca. 50% von Schecks Interview-Partnern interessant finde.

  3. Herr Schenk ist für die Literatur was Frau Angelke für das Kino: die langweiligen Resteverwerter aus einer Zeit, als es nur 3 Sender gab. Wenn ich Herrn Schenk im TV sehe, dann habe ich innerhalb eines Atemzuges wieder umgeschaltet.
    Wie sollen mir solche Schnarchnasen Literatur schmackhaft machen? Das geht doch gar nicht.

  4. Ich liebe Dennis Scheck, gerade weil das alte, ruhige, intelligente und nachdenkliche TV repräsentiert.
    Nach Quoten darf man bei Sendungen, die nach 0.00 Uhr laufen wohl kaum fragen und dass einem nicht alle Gesprächspartner gefallen, liegt doch in der Natur der Sache.

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