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Das Rätsel der Liebe: »Eins im Andern« von Monique Schwitter

Monique Schwitter: Eins im Andern

Mit ihrem Roman »Eins im Andern« hat Monique Schwitter den Schweizer Buchpreis gewonnen. Am Deutschen Buchpreis schrammte sie knapp vorbei, das Buch stand auf der Shortlist.

Einen Ausschnitt des Romans hatte die Autorin bereits in Klagenfurt gelesen, wo sie preislich jedoch leer ausging. Fein, dass das Buch nun im Heimatland der Autorin ausgezeichnet wurde.

Astrid Braun hat »Eins im Andern« fürs literaturcafe.de gelesen und ist dem Rätsel der Liebe nachgegangen.

Die Liebe erklären zu wollen

Auf Literaturkritiker sind Autoren in der Regel nicht gut zu sprechen. Egal, wie man es als Kritiker formuliert, irgendwas ist immer falsch. Man hat sie nicht verstanden ist noch der harmloseste Vorwurf. Was Autoren gar nicht mögen, ist eine Inhaltsangabe des besprochenen Romans. Zu Recht.

Gerne werden Kritiker der Oberflächlichkeit geziehen oder der mangelnden Auseinandersetzung mit der Form, dem Stil, der Konstruktion. Ganz zuwider ist dem Autor, der Autorin das Verraten eines Rätsels, das die Handlung konsequent vorantreibt, das aber erst am Ende erklärt wird und so Rückschlüsse auf das ganze Buch zulässt.

Im Falle des Romans von Monique Schwitter ist besondere Vorsicht geboten. Auf die Frage, was die Ich-Erzählerin in ihrem Roman »Eins im Andern« dazu bewegt, sich die Liebe damit erklären zu wollen, dass sie ihre vergangenen Liebhaber und ihren Mann durchdekliniert, glaubt man rasch eine Antwort gefunden zu haben. Aber es werden Fallstricke gelegt, erst am Ende erschließt sich wie in einem wirklich guten Krimi, was es mit dem Rätsel der Liebe auf sich hat. Deshalb darf das hier nicht verraten werden, ganz wie im Krimi ja auch der Mörder nicht auf der ersten Seite genannt wird – und schon gar nicht in einer Besprechung.

Stellen wir uns die Liebe zunächst als Baumringe vor, die sich übereinander schichten. Folgerichtig hat Schwitter zwölf Kapitel geschrieben, die jeweils einem geliebten Mann gewidmet sind. Zwölf Apostel, wir wissen schon: die Botschafter des Glaubens und der Liebe. Wobei diese Chronologie nach wenigen Kapiteln ins Wanken gerät, denn der aktuelle Ehemann der Ich-Erzählerin übernimmt in gewisser Weise das Ruder, die Chronologie wird gesprengt. Nach ihm, dem Ehemann und Vater zweier Kinder, richtet sich die Liebes-Erforschung aus wie Eisenspäne an einem Magneten. Das meint man lange und wird am Ende doch düpiert. Schwitter, Schauspielerin, Dramaturgin, Regisseurin und Autorin, hat ein wirklich witziges, blitzgescheites Buch über die Irrungen in Liebesdingen geschrieben. Schnitzlers »Reigen« gibt das Bühnenbild.

Gang durch den Friedenswald

Dass man die Autorin mit der Ich-Erzählerin zu verwechseln geneigt ist, ist eine handelsübliche Falle. Autoren stöhnen auf, betonen während und vor allem nach einer Lesung immer wieder, dass sie nicht identisch sind. Ein Literaturkritiker weiß das, es ist das Einmaleins der Kritik, bei Schwitter allerdings rutscht man aus wie auf der gefrorenen Alster in Hamburg. Ätsch, ich bin es nicht, meint man sie rufen zu hören, der Leser, auch der Profi, plumpst unsanft auf den Hosenboden. Das klingt aber auch zu authentisch, wenn man die Biografie der Protagonistin oberflächlich mit der der Autorin abgleicht: Beide sind Schauspielerinnen, kommen aus der Schweiz, haben Stationen an diversen Theatern hinter sich und schreiben auch. Und in diesem Punkt nähert man sich dem Wunder der Literatur. Denn alle großen Geschichten werden genährt vom Innenleben des Autors, seine Figuren und Objekte aber sind frei erfunden. So wie wahrscheinlich der Friedensbaum, unter dem in Kapitel 6 des Romans der (homosexuelle) Freund Nathanael seine Eltern begraben soll, daneben noch die Geliebte des Vaters. Der Gang durch den Friedenswald, Monique Schwitter hat dieses Kapitel in Klagenfurt bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur gelesen, ist wunderbare und urkomische Fiktion, das Gefühl, in der Liebe sei alles ein schwer durchschaubares, widersinniges Kuddelmuddel allerdings schlüpft in die Rolle der seelischen Mutter aller Erfindung.

Ein Interview mit Monique Schwitter nach ihrer Bachmann-Lesung (Juli 2015)

»Die Liebe sucht man sich nicht aus, mein Herz.«

»Die Liebe sucht man sich nicht aus, mein Herz.« Der oft zitierte Satz der Großmutter der Protagonistin ist das Leitmotiv. »Einer nach dem anderen«, motiviert sich die solcherart von Liebe Ergriffene, um dem Geheimnis näher zu kommen und so die persönliche Statistik, die Abfolge der geliebten Männer zu ergründen. Aber rasch wird daraus »Eins im andern«, denn die Kandidaten wechseln, aber die Liebe bleibt dieselbe.

Was Schwitter an geliebten Männern zu bieten hat, Erfindung oder nicht, ist großes Kino. Ob nun der alternde Regisseur Tadeuz, den sie erzählerisch mal eben in ein Tier oder eine Statue von Alberto Giacometti verwandelt, oder der sich rein in die Phantasie einschleichende Jacob der Jüngere: was für eine großartige Begabung, Menschen und Szenen zu inszenieren, Dialoge zu schreiben. Pralles, wunderbares, überdrehtes Leben. Sehr hübsch auch Kandidat Thomas »Blondmitbrille«, Spezialist auf Dating-Plattformen.

In einem großen Liebesroman tönen der Tod und der Schmerz die Erinnerung.

»Im Grunde ist alles nach Hause geschrieben«, hat Kollege Arnold Stadler mal über seine Romane gesagt, die sich alle irgendwie auf seine Kindheit im oberschwäbischen Meßkirch hinbewegen. Auch Schwitter steuert zielsicher auf das Urmodell der Liebe hin, auf den Urgrund, Liebe empfinden zu können, sie verloren zu haben und immer wieder neu zu suchen. Dabei streift sie natürlich das Pathos, manchmal auch den Kitsch.

Das ist aber zu verzeihen, mehr noch, wir gratulieren zum Schweizer Buchpreis 2015.

Astrid Braun

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