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Cornelia Travnicek liest in Klagenfurt und wir lesen ihren Roman »Chucks«

Herzlichen Glückwunsch! Cornelia Travnicek wird in diesem Jahr beim Bachmannpreis in Klagenfurt lesen. Ob sie selbst daran geglaubt hat, als sie genau vor fünf Jahren hier im literaturcafe.de den ersten Teil ihrer Serie »Bis Klagenfurt anruft« schrieb?

Unser Textkritiker Malte Bremer hat ihr literarisches Talent bereits im Jahre 2003 erkannt, als er das Gedicht »maßnehmen« der damals 15-Jährigen mit 5 Brillen bewertete.

Im Frühjahr 2012 erschien Cornelia Travniceks erster Roman »Chucks«. In Leipzig haben wir mit ihr ausführlich darüber gesprochen, und sie hat ihre Serie mit einem »Reloaded«-Teil fortgesetzt. Malte Bremer hat nun Cornelia Travniceks Erstling »Chucks« gelesen.

Der Roman kippt mehrfach

Kann man sich eigentlich an den Moment erinnern, in dem der Spaß anfängt? Und kann man erkennen, an einer Geste, einem Satz, einem Wort, wann das Ganze zu kippen beginnt? (Cornelia Travnicek, Chucks)

Gute Frage!

Cornelia Travniceks erster (erster veröffentlichter?) Roman kippt in neun der zwölf Kapitel sogar mehrfach. Das ist der Roman: verwirrend.

Aber nur vorübergehend: Dieser Roman braucht einen wachen Leser, es wird nicht chronologisch erzählt, sondern die Ereignisse, Erlebnisse, Überlegungen, Kommentare werden episodenweise aus verschiedenen Zeitebenen einander zugeordnet: So entwickelt sich der Werdegang von Mae(ve) Reimer wie ein Puzzlespiel.
Das ist der Roman: komplex.

Die Kapitelüberschriften sind in der Regel zweiteilig und klären über den zu erwartenden Inhalt auf, beispielsweise »Von Kühlschränken und vom goldenen Schein«. Alles klar? Nach dem Lesen des Kapitels stellt man fest: Stimmt! Stimmt aber auch wieder gar nicht, denn da ist doch noch mehr, noch viel Wichtigeres! Warum wird das unterdrückt?
Das ist der Roman: überraschend.

Man weiß von Anfang an, dass da jemand sterben wird und dass das nicht das einzige Mal ist, dass da jemand stirbt, denn das erste Kapitel heißt »Vom Ende« und beginnt mit der rhetorischen Frage: »Warum sich im Leben immer genau die Situationen wiederholen, die man doch auf keinen Fall noch einmal erleben will.«
Das ist der Roman: aufrichtig.

Punks, Architekten, kaputte bürgerliche Familie, Aids, Schule, Krebs, Hausbesetzung: Manche würden sagen, das sind alles nur Klischees – aber was wäre denn nicht Klischee?
Es geht schließlich nicht um die Pflege von Klischees, es geht um das Leben von Maeve, um ihre Suche, ihre Orientierung, ihre Orientierungslosigkeit: »Diese Angst vor dem Kippen, dem Fallen, dem Aufschlagen, bis der Wendepunkt kommt und es wieder nach vorne geht«.
Das ist der Roman: mitreißend.

Winnetou, die weißen Kügelchen, Kühlschränke, Milch, Haare … immer wiederkehrende Motive treten in unterschiedlichen Situationen auf und ändern heimlich ihre Bedeutung.
Das ist der Roman: raffiniert.

Diese präzise, klare Sprache, die man schon von ihrem Erzählband »Fütter mich« gewohnt ist, aber gar nicht genug loben kann – und völlig neu: der Humor bis hin zur Groteske, auch die Selbstironie der Ich-Erzählerin, was immer wieder aufleuchtet und mich zum Lachen gebracht hat.
Das ist der Roman: humorvoll.

Die Ernsthaftigkeit, die immer unversehens auftaucht, die mitfühlen lässt, die durch den Wechsel mit dem Humor sogar stärker wirkt: Maeves Leben ist eben nicht nur leicht und witzig, aber auch!
Das ist der Roman: ernst.

Was will man mehr? Eben!

Zum Abschluss noch ein längeres Zitat:

In Wahrheit sind das Problem wir. Unser Leben ist eine Art Quant, unsere Welt hätte jeden möglichen Zustand gleichzeitig, wären wir nicht hier und würden sie beobachten und uns festlegen. Wir könnten also nicht sagen, ob wir glücklich oder unglücklich sind, wir hätten nichts und alles verloren und genauso viel gewonnen, jede Möglichkeit wäre für uns vorhanden, wenn wir nur nicht selbst den Deckel von unserer Schachtel Leben abheben und hineingaffen würden, in unserer unendlich dämlichen Neugier. (S. 93)

Das einzige, was konstant ist, sind die roten Chucks, die uns vom Anfang bis Ende begleiten – durch fast alle Stationen von Maeves Leben …

Kaufen! Lesen! Erleben!

PS: Sollte sich einer fragen, warum am Ende der einzelnen Abschnitte immer Das-ist-der-Roman-Doppelpunkt-Adjektiv steht: Habe ich aus dem Roman geklaut! Werde es deswegen nie wieder verwenden, steht nur Cornelia Travnicek zu!

Malte Bremer

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