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Buchtipp: »Gargoyle« von Andrew Davidson

Andrew Davidson: Gargoyle»Liebe ist stark wie der Tod« steht hinten auf dem Cover von Andrew Davidsons Roman »Gargoyle«, und ich mache es mir mit dem 574-Seiten-Schmöker gemütlich. Aber nichts da – schon auf den ersten Seiten ist Schluss mit gemütlich, und ich kann die Szene fast sehen – einen drogenbenebelten Ich-Erzähler, seine Flasche Bourbon zwischen den Knien, wie er eine steile Straße entlang fährt. Die Vision brennender Pfeile lässt ihn das Lenkrad herumreißen, und er stürzt eine Böschung hinab. Ich kann hören, wie Flammen sein Fleisch zum Blubbern bringen. Doch dabei bleibt es nicht. Wunderbar bildhaft bringt er mir nahe, was es heißt, einen von Feuer zerstörten Körper wieder einigermaßen lebensfähig zu machen. Unser Autor muss gut bei den Medizinern aufgepasst haben.

Der Erzähler stellt zynisch fest, dass es nun verstümmelt ist, sein einziges Kapital – der perfekte Körper eines erfolgreichen Pornodarstellers, eine Widerlichkeit, über die nur noch die Hände von Krankenschwestern huschen werden wie »die anmutigsten aller Insekten, die sich auf Kot niederlassen«.

Doch während er sich mit der Planung seines Selbstmordes beschäftigt, taucht eine geheimnisvolle Frau auf. Sie behauptet, sie seien Liebende vor siebenhundert Jahren gewesen, und er wäre schon zweimal verbrannt worden. Es ist die Bildhauerin Marianne Engel. Und wie damals will sie ihm aus Dantes »Hölle« vorlesen.

Im Laufe der Zeit verwirft er seine Selbstmordgedanken, zieht bei Marianne ein, lauscht ihren alten Geschichten von Paaren, deren Liebe über den Tod hinaus geht, von Philosophen wie Dante und Meister Eckhart, und sie erzählt Episoden, wie sie beide im mittelalterlichen Deutschland gemeinsam leben – eine schriftgelehrte Nonne und ein Söldner auf der Flucht.

Immer öfter arbeitet die Bildhauerin Marianne Engel bis zur Erschöpfung an ihren Gargoyle-Skulpturen, und je schwächer sie wird, umso kräftiger wir unser Erzähler, der schließlich die Rolle des Sorgenden übernimmt.

Das Besondere an diesem Roman ist, Andrew Davidson räubert in vielen Genres. Knallharter Realismus trifft auf historischen Roman und Mysterien, wechselt zwischen Raum und Zeit – und das gekonnt. Er knüpft die Erzählungen so kunstvoll in die Gesundungsgeschichte, dass die innere Wandlung des vom Feuer zerstörten Mannes angenehm glaubhaft wirkt.

Sabine Stegmeyer

Andrew Davidson; Eike Schönfeld (Übersetzung): Gargoyle (Bloomsbury Berlin). Gebundene Ausgabe. 2009. Bloomsbury Berlin. ISBN/EAN: 9783827007827
Andrew Davidson; Eike Schönfeld (Übersetzung): Gargoyle: Roman. Taschenbuch. 2010. Berlin Verlag Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783833306686. 2,37 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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