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Buchmesseimpressionen 2016 von Barbara Fellgiebel – Teil 4 – Männerbücher und Auslassungen bei Frauen

Überall, weil Buchpreisgewinner: Bodo Kichhoff
Überall, weil Buchpreisgewinner: Bodo Kichhoff

Barbara Fellgiebels Messimpressionen aus Frankfurt – respektlos, subjektiv, frech, erfrischend und noch so einiges.

Teil 4 (von 5): Bodo Kichhoff mag keine Dialoge.

Freitag, 21. Oktober 2016

Es wird zunehmend voller und man muss mehr Zeit einkalkulieren um von A nach B zu kommen, d.h. zwischen den Hallen zu wechseln.

Bodo Kirchhoff wird als Gewinner des diesjährigen Buchpreises natürlich von Bühne zu Bühne gereicht. Das Widerfahrnis ist der Titel seines Buches. Schönes Wort, das nicht im Duden steht, wie er immer wieder betont. In der Jurybegründung heißt es: »Ein spirituelles Erlebnis, das einen so berührt, dass man nicht mehr so ist wie zuvor«. Das klingt vielversprechend. Im Interview doziert er, spricht in einer Art, die ihm ganz fremd, ganz begrifflich ist. Er wirkt gequält, hölzern, viereckig. Er will Gefühl wissen, aber scheint nicht fühlen zu können. Ich lerne, dass wir nicht mehr von Flüchtlingen sprechen sollen, sondern von Geflüchteten.

Etwas später sitzt er völlig unbehelligt am Stand seines Verlages. Das nutze ich natürlich aus, gratuliere artig zum Preis und frage, ob er ein bisschen behelligt werden möchte. Er möchte.

»Ich habe Ihr Buch noch nicht gelesen, glaube aber, dass es ein Männerbuch ist.«

»Wieso das?«

»Weil mir drei Männer unabhängig voneinander versichert haben, es in einem Zug gelesen zu haben«.

Aber jetzt bin ich in seine Falle getappt: Er mag keine Dialoge und meint, sie zeugen meistens von Erzählfaulheit. Also erzähle ich Ihnen lieber, dass Bodo Kirchhoff staunte, als ich Widerfahrnis als Männerbuch bezeichnete, nachdem mir drei Männer versichert hatten, es in einem Zug gelesen zu haben.

Carolin Emcke, eine Preisträgerin der ganz anderen Art. Sie wird am Sonntag mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Die öffentliche Intellektuelle wie sie des Öfteren bezeichnet wird, ist selbstkritisch, plädiert für die Vielfalt und hält am Sonntag in der Paulskirche eine Rede, die Teile des Publikums fassungslos macht. Aber ich greife den Dingen voraus.

Katja Lange-Müller stellt ihren Episodenroman Drehtür vor. Es ist eine Freude, ihr zuzuhören, denn sie hat diesen frechen Berliner Humor, erzählt von ihrer Vergangenheit als Krankenschwester und wirft mit Formulierungen wie »Wir stehen bis zum Knie in der Gereatrie« oder »Es regnet Rotz und Reiherschnecken« um sich, was schließlich im Zitat einer ihrer Vorgesetzten gipfelt: »Sie ham da son Hang zur Tendenz zu einer rückläufigen Kaderentwicklung«. Den Hang zur Tendenz will ich mir merken.

Erika Pluhar sinniert über die hohe Freude des Lebens. Sie möchte die Freude mitnehmen: »Und wenn ich mich nicht mehr freuen kann, möchte ich sterben.« Gegenüber heißt ihr neues Buch. Wir stellen fest,

Geld wird als Thema bei Frauen ausgelassen. Das ist bei den alternden Männern anders.

Geert Mak – die Inkarnation des typischen Niederländers – hat mit Die vielen Leben des Jan Six ein Buch geschrieben, das die holländischen Buddenbrooks genannt wird. Ein großer, unterhaltsamer Erzähler, der warnt: man darf nie zu sicher sein, wenn man von der Vergangenheit erzählt. Wir sind nicht dabei gewesen und es kann auch anders gewesen sein. Er spricht von pathologischer Unschuld und meint, die Holländer können und wollen sich nicht eingestehen, welch Gräueltaten sie in ihren Kolonien begangen haben.

Herman van Veen – ein weiterer Grandseigneur, der seit vielen Jahrzehnten als Liedermacher bekannt ist. Er hat sich seine wundervolle Stimme erhalten, hat mit Erinnerte Tage ein lesenswertes Buch geschrieben und hält ein flammendes Plädoyer für die Bildung und den Frieden. Am Ende des Gesprächs begeistert er sein Publikum, indem er seine Gitarristin Edith ans Blaue Sofa bittet und mit »Warum bin ich so fröhlich?« sein Publikum in verzückte Nostalgie versetzt.

Fortsetzung mit dem fünften und letzten Teil folgt morgen.

Barbara Fellgiebel

Barbara Fellgiebel ist passionierte Buchmessen- und Literaturfestivalbesucherin und verweigert sich nach wie vor erfolgreich dem Schneller-kürzer-visueller-Wahn sowie Twitter, Facebook und Instagram. Bei ihr darf noch gelesen werde, mit Ruhe und Genuss.
Kommentieren Sie gern hier unten oder schreiben Sie ihr: alfacult(at)gmail.com

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