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Buchhandel fürchtet Umsatzeinbußen durch Entlassung Elke Heidenreichs

lesen! oder verkaufen!?Wenn sie in ihrer Sendung »lesen!« auch nur für Sekunden ein Buch in die Kamera hielt und lobte, stand es sofort auf der Bestsellerliste. Die Marke »Elke Heidenreich« mutierte zum Gütesiegel der Buchbranche. Unzählige Bücher führten Zitate von ihr auf, sie schrieb Vor- und Nachworte, gab eigene Buchreihen heraus und es schien, dass nur ihr Wort, nur ihr Lob entscheidend war. Sie war die beste Verkaufsmitarbeiterin im Buchhandel, was besonders die Buchketten freute, denn von ihr empfohlene Bücher verkauften sich vom Stapel ab, und man konnte auf eigenes qualifiziertes Beratungspersonal weitgehend verzichten.

Für die Verleger war ihre Sendung wie die Ziehung der Lottozahlen. Hatten sie das Glück und ein Buch aus ihrem Hause wurde von Heidenreich auserwählt, so kam das sechs Richtigen mit Zusatzzahl gleich, mindestens jedoch fünf Richtigen.

Doch nun hat das ZDF die Heidenreich wegen allzu unflätiger Bemerkungen entlassen und ihre Sendung mit sofortiger Wirkung abgesetzt. Das Schlimmste, was dem Buchhandel passieren konnte, denn er hat seine wichtigste Werbeikone verloren – zumindest wurde ihre Wirkung beschnitten. Wer sein Urteil nicht mehr im Fernsehen abgibt, ist weniger wichtig.

Daher haben sich die Chefs und Verleger der großen deutschen Verlage in einem offenen Brief an ZDF-Intendant Schächter gewandt. Sie fordern ihn dazu auf, die Entscheidung nochmals zu überdenken und rückgängig zu machen. Die Verleger schreiben: »Es gibt im deutschen Fernsehen wenige, die sich wie Elke Heidenreich für die Lese- und Buchkultur dieses Landes eingesetzt haben. Elke Heidenreich hat sich mit grenzenloser Leidenschaft für literarische Werke oft noch unbekannter deutschsprachiger und ausländischer Autoren engagiert. Sie hat die Diskussion über Bücher und Autoren in diesem Land durch die Sendung “Lesen!” befeuert, und sie hat einem breiten Publikum auf einzigartige Weise die Literatur nahegebracht.«

Doch das ZDF bleibt bei seiner Entscheidung. ZDF-Intendant Schächter entgegnet auf den Brief: »Die Trennung von Frau Heidenreich ist irreversibel. Die Verantwortung dafür trägt allein Frau Heidenreich, deren Verhalten gegenüber dem ZDF und seinen Mitarbeitern für das Unternehmen nicht mehr hinnehmbar war. Dabei geht es nicht um “Unmut” oder “Kränkungsgefühle”. Es geht darum, dass das ZDF durch die Vorwürfe und Behauptungen öffentlich herabgesetzt wurde und damit das für eine weitere Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis zerstört ist.«

Weiter schreibt Schächter: »Literatur im ZDF findet in einem neuen Format statt. Dazu werden wir Gespräche mit Branchen-Vertretern, Autoren und Verlegern führen, die teilweise bereits anberaumt sind.« Für 2009 plane das ZDF auf jeden Fall sechs Literatursendungen.

Ob die neue Sendung jedoch die Wirkung und Reichweite Heidenreichs erzielen wird, ist fraglich. Das beweisen allzuviele schlecht gemachte, langweilige, längst wieder abgesetzte und leider allzu unbeachtete Literatursendungen im Fernsehen.

Mit einer neuen Sendung wird sich zudem zeigen, welchen Weg das ZDF bei der Vermittlung der Buchkultur gehen wird, womit wir beim eigentlichen auslösenden Thema des ganzen Streits, der Qualität im Deutschen Fernsehen wären. Werden die Buchempfehlungen in der neuen Sendung über oder unter dem Niveau der Heidenreichschen Auswahl liegen? Das ist die eigentlich spannende Frage, dich sich nun stellt und deren Antwort wir offenbar 2009 erfahren werden.

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13 Kommentare

  1. Verständlich, dass Verlage jetzt um Verkaufszahlen bangen; löblich, dass sie sich um die kulturelle Information des Frensehpublikums sorgen. Es wird aber möglich sein, jemanden zu finden, der/die eine ähnliche Sendung auf die Beine stellt. Vielleicht sogar ein Duo? Hier ein paar Vorschlage, falls das ZDF in Not gerät.
    Roche/Willemsen, Jürgen v. d. Lippe, Becker/Schmickler, Loki/Schmoki, Fried/diLorenzo, Herbert Knebel, Carmen Nebel, Markus Lanz, Bruno Ganz, Joschka Fischer, Wolfgang Tischer, u.v.m., selbst B.Böttinger könnte noch her. Es lebe die Vielfalt, und bis sich das ZDF entscheidet, könnten viele Buchhändler so richtig in die Vollen gehen und ihre Kundschaft sachkundig beraten; das wär doch mal was.

  2. Die Verleger haben recht, kaum jemand hat wie Elke Heidenreich die Literatur durchs Fernsehen getrieben (oder so ähnlich). Und warum? Weil die Sendeanstalten niemanden ließen. Ich staune (um nicht zu verzweifeln), wenn ich lese, mann wolle jetzt mit Verlagen und Branchenvertretern sprechen. Nur so eine Empfehlung: Vielleicht sollte das ZDF mal mit LiteraturkritikerInnen sprechen. So mancheR AutorIn wäre sicherlich auch keine schlechte Adresse.

  3. Da hat sich wohl das ZDF in den Finger geschnitten und ein Eigentor geschossen – finde,das war kurzsichtig und kleinkariert gedacht, eine so überzeugte und kenntnissreiche Literaturkennerin so mirnichts dirnichts vor die tür zu setzen -ausserdemkann ich mir überhaupt nicht vorstellen, für Frau Heidenreich eine Alternative zu finden; aber es wundert einen garnicht, es ist eben das ZDF !! Jeder stinklangweilige Unfug wird gesendet und anspruchsvolle Themen fallen unter den Tisch, tstststs

  4. Wo Sie Recht hat Sie Recht.

    ob die Verlage stöhnen ist mir relativ egal – Ich finde es Klasse das Frau Heidenreich – diesen selbstverliebten TV-Fuzzys – mal den Spiegel vorgehalten.
    Schade das Marcel Reich Raniki – seine Kritik relativiert hat – dachte mit über 8o – wäre man davon frei .

    Liebe Frau Heidenreich – Sie werden mir fehlen – aber es gibt ja noch andere Medien.
    Das Sie sich den Einheits/liebelei/wir sind so toll – entgegen stellen – Finde ich TOLL ! vlg: S

  5. Das ZDF hat doch Frau Heidenreich gar nicht verdient! Und nachdem Lesen! ohnehin die einzige gute Sendung beim ZDF war, das aber zu einer unterirdisch späten Sendezeit (hallo ZDF: es gibt in diesem Land tatsächlich noch Menschen, die morgens früh aufstehen müssen, um zur Arbeit zu gehen!) erledigt sich das Problem “ZDF” mit dem Absetzen der Sendung von alleine.
    Frau Heidenreich, bitte reisen Sie so oft es geht durch unser Land (bitte München so oft als möglich ansteuern!) und machen Sie so viele Live-Lesungen wie möglich. Ihre herzerfrischende Art kommt so am Besten rüber. Meine Kolleginnen und ich schwärmen immer noch von Ihrer Vorstellung der BRIGITTE-Edition.
    Herzliche Grüße,
    L. Gerosch

  6. Ich finde es super und nur konsequent vom ZDF, dass Frau Heidenreich gehen musste. Ihr gottgleicher Einfluss auf den Literaturbetrieb und die Buchverkaufszahlen haben mich schon lange gestört. Was für ein Affentanz. Mir wären die geschulten Buchhändler lieber.

  7. Im Grunde ist es die alte Frage: steige ich als Intellektueller herab von meinem Elfenbeinturm in die Niederungen (hier: des Fernsehens)? Natürlich muss ich beim Abstieg auch meinen Anspruch senken, aber ich steigere dabei sicherlich nachhaltiger das Durchschnittsniveau als von der Einsamkeit meines Turms. Freu Heidenreich ist runtergekommen, und sie sollte dafür mehr Dankbarkeit erhalten als von Hr. Schächter bisher. Das Fernsehen braucht sie (d.h. ihre Einschaltquoten), sie braucht ihn nicht.

  8. Ja, Elke Heidenreich wird vielen fehlen, sie mag sicherlich auch oft sehr subjektiv sein , aber ihre frische, temperamentvolle Art hat diese Sendung
    immer interessant gemacht. Es gibt zum Beispiel in Italien keine literarischen Tv Sendungen, die das Niveau von “Lesen” erreichen, also finde ich, dass das ZDF kulturell nicht so schlecht ist, wie oft behaupet wird. Mal sehen, was nach Elke Heidenreich kommt und ob es besser ist…

  9. Ueberall Heidenreich: Sie schrieb, sie moderierte, sie rezensierte, sie trat auf, sie las vor, sie war dabei natürlich immer sehr betroffen, kurz, sie gab überall ihren Senf dazu. Sozusagen eine Fleisch gewordene Frauenzeitschrift. Unerträglich! Bücher haben Besseres verdient! Ich gratuliere dem ZDF zu seiner Zivilcourage. Und uns, dass wir nun von EH wenigstens eine Weile verschont werden.

  10. Sicherlich, war Elke Heidenreich kein Mauerblümchen, aber ich finde dass sie ihre Sache gut gemacht hat und Bücher sollten doch nicht auf einem Sockel gestellt werden! Irgendwer muss es auch auf leichte Weise bringen und das zumindest konnte sie, daran gibt es für mich keine Zweifel. Mir wird ihre Sendung fehlen und ich denke nicht nur mir.

  11. In dieser Sache haben sich beide Seiten wenig souverän verhalten. Frau Heidenreich legte mit ihrer ungeschickten Wortwahl mehr Vehemenz in die Kritik an der Qualität des deutschen Fernsehens als nötig, und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie damit Herrn Ranicki ein wenig das Bauchfell kraulen wollte. Den allerdings ließ das Gekraule ziemlich kalt. Er ließ sie schlicht fallen, als er verkündete, dass das ZDF gar nicht hätte anders reagieren können alsmit Kündigung und zog obendrein einen Teil seiner Äußerungen als nicht getätigt zurück. Feiger, eitler, alter Mann.
    Von Frau Heidenreich in seiner Ehre gekränkt, reagierte das ZDF rigide mit Kündigung, was ein bisschen wirkte wie das trotzige Aufstampfen mit dem Fuß. Etwas mehr Großzügigkeit und Souveränität hätte dem Sender besser zu Gesicht gestanden. Das Ganze wirkt wie unreifes Kindergartengezanke und ist einem ernst zu nehmenden Anspruch auf Qualität keineswegs dienlich.

  12. Ich lese gern und ich lese viel. Zugegeben, ich lese wahrscheinlich nicht das, was Frau/Herr Heidenreich/Reich Ranicki empfehlen würden. Einer der Beiden würde meine Lektüre warscheinlich als “Dreck” bezeichnen. Doch ich lese nicht weil ich ein intellektueller Überflieger werden möchte, sondern weil es mir Spaß macht zu lesen. Orientierung gibt mir dabei der Klappentext des jeweiligen Buches. Sagt der Text mir zu, lese ich das Buch. Lese ich es in einem Stück durch, war es gut. Brauche ich länger, war es weniger gut. Ich verlasse mich also ganz auf meine persönliche Meinung. Deshalb werde ich Frau Heidenreich auch bestimmt nicht vermissen. Womit ich nicht sagen will das sie überflüssig ist (Tschuldigung, war!). Es gibt ja noch die bereits von mir in einem Eigenschaftswort erwähnten “Intellektuellen”, die offensichtlich nicht in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden und dafür Literaturkritiker benötigen.

  13. Nachdem ich soeben die Beiträge zu Elke Heidenreich gelesen habe, möchte ich doch auch meinen Senf dazu geben: Es ist zwar schon eine ganze Zeit vergangen, doch denke ich an Frau Heidenreich, verstehe ich die falschen? Tränen nicht. Ich finde, gute Bücher haben Besseres verdient, als im Schnelldurchlauf und saloppem Gerede durchgehechelt zu werden. Gehechelt, weil man sich keine Zeit für eine gründliche Analyse genommen hat. Quantität (Zahl der besprochenen Bücher pro Sendung) heißt nicht Qualität. Es ist Zeit für Neues und ich wünsche dem ZDF gutes Gelingen bei der Suche nach eibnem Neuanfang. RB

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