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Bachmannpreis 2016 an Sharon Dodua Otoo

Sharon Dodua Otoo
Sharon Dodua Otoo
Sharon Dodua Otoo erhält in diesem Jahr den mit 25.000 Euro dotierten Bachmannpreis. Die Autorin überzeugte die Jury mit ihrem Ehedrama mit Frühstücksei unter dem Titel »Herr Gröttrup setzt sich hin«.

Den mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis erhielt der Schweizer Autor Dieter Zwicky. Der mit 7.500 Euro dotierte 3sat-Preis ging an Julia Wolf, der BKS-Publikumspreis an Stefanie Sargnagel.

Sharon Dodua Otoo setzte sich in einer Stichwahl gegen Marko Dinić durch. Dinić war in diesem Jahr ein klein wenig der Pechvogel bei den Jurorenabstimmungen, der oft genannt wurde, letztendlich aber leer ausging.

Eine Änderung in den Abstimmungsmodalitäten sollte ein solches »Durchrutschen« nach unten bereits im letzten Jahr verhindern. Doch bereits im letzten Jahr war Teresa Präauer die Unglückliche, die am Ende ohne Preis blieb. Die Änderung wurde in diesem Jahr zurückgenommen, stattdessen gab es die neue Regelung, dass ein Jurymitglied in der jeweils ersten Abstimmungsrunde nicht für die »eigene« Autorin oder den »eigenen« Autor stimmen darf. Das ersparte taktische Jury-Spielereien und dürfte zu weniger Abstimmungsdurchgängen geführt haben.

Julia Wolf
Julia Wolf gewann den 3sat-Preis
In Folge 6 des diesjährigen Audio-Podcast ist ein Interview mit Sharon Dodua Otoo zu hören. In einer Video-Folge des Bachmannpreis-Podcast wird später im literaturcafe.de ein Interview mit den Preisträgerinnen Sharon Dodua Otoo und Julia Wolf auch zu sehen sein.

Eingeladen wurde Sharon Dodua Otoo von Jurorin Sandra Kegel. Ein Interview mit ihr ist in Folge 5 unseres Podcasts zu hören. In der erwähnten Video-Folge wird das Interview später auch zu sehen sein.

Die Shortlist 2016 – Wer war drauf und wer nicht?

Auf die Shortlist des Preises schafften es in diesem Jahr Marko Dinić, Isabelle Lehn, Selim Özdogan, Jan Snela, Sharon Dodua Otoo, Julia Wolf und Dieter Zwicky.

Es erstaunte ein klein wenig, wer hier vertreten war und wer nicht. So beeindruckte das »Broken German« von Tomer Gardi die Jury offenbar nicht, stattdessen stand Selim Özdogan auf der Liste, von dessen »Hase im Kopf«-Geschichte die Jury offenbar doch mehr angetan war, als es in der Diskussion den Anschein hatte. Selbst Jan Snela, dessen Text »Araber und Schakale« in der Jury nur die einladende Jurorin Meike Feßmann vehement verteidigte, war auf der Shortlist zu finden. Das Sylvie Schenk nicht unter den Nominierten war, erstaunte ebenfalls. Genauso wenig für preiswürdig erachtete die Jury auch den Text der medial omnipräsenten Stefanie Sargnagel, die mit ihrem roten Käppchen ein gern gewähltes Fotomotiv der letzten Tage war. Obwohl von der Jury zunächst konstatiert wurde, dass die Geschichte ein gelungener Auftakt gewesen sei, relativierte sich dieser Eindruck offenbar über die Lesetage und angesichts der vielen besseren Texte. Mit ihren vielen Tausend Facebook-Fans machte sich Sargnagel zumindest zur Gewinnerin des BKS-Publikumspreises, der mit 7.000 Euro dotiert ist. Im nächsten Jahr wird Sargnagel daher auch Stadtschreiberin in Klagenfurt sein.

Dieter Zwicky: Mühelos zum Kelag-Preis

Dieter Zwicky schaffte es fast mühelos zum Kelag-Preis. Er war am gestrigen 3. Lesetag der letzte der 14 Autorinnen und Autoren. Sein Text wurde sehr gelobt, doch man konnte sich da noch nicht so sicher sein, ob darin auch allgemeine Erleichterung der Jury mitschwang, dass die 14 Lesungen vorüber waren und am Ende kein schlechter Text stand. Doch offenbar war die Begeisterung echt.

Dieter Zwicky nahm 2016 bereits zum zweiten Mal am Bachmann-Wettbewerb teil. 2007 ging er jedoch noch leer aus. Mit lakonischem Schweizer Humor meinte er bei der Preisverleihung: »Wenn ich die Freude nicht so zeige, gehört das zu meinem beschränkten Repertoire.«

Nach der Preisverleihung meinte Sharon Dodua Otoo, sie sei »verblüfft« über den Preis. Jetzt könne sie sich dem Schreiben widmen und habe mehr Zeit dazu. Sie arbeite gerne in ihren Texten mit Humor und Überraschungen.

Immerhin fühlten sich ja auch einige bei ihrem Text mit Frühstücksei an Loriot erinnert.

Wolfgang Tischer

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3 Kommentare

  1. KRITIK DER KLAGENFURTER VERNUNFT

    Welchen Leser imaginiert ein Erzähler beim Verfertigen seiner Klagenfurter Geschichte? – Einen Juroren. Welcher Leser bleibt länger an dieser Geschichte dran als die wenigen Sekunden, die zur Lektüre der ersten Sätze nötig sind? – Ein Juror. Auf jeden Fall derjenige Juror, der beschlossen hat, den Text zum Klagenfurter Medienrummel mitzunehmen. Und außerdem eine Reihe von Lesern, die beschlossen haben, sich dem Rummel um den Text auszusetzen. Und es in der Regel bereuen.

    Denn der Text ist eine Klagenfurter Geschichte. Er ist also nach den Regeln der Klagenfurter und nicht nach denen der literarischen Vernunft entstanden. Die letztere lässt sich nicht so einfach definieren, die erstere dagegen schon:

    Der Klagenfurter Autor hat keinen lesbaren eigenen Stil entwickelt. Sein Text muss so langweilig wie möglich beginnen. Eine Handlung darf gar nicht oder nur bruchstückhaft erkennbar sein. Die Personen sollten rätselhafte Wesen sein, etwa dem Muster eines Kafka-Käfers gemäß. Die Erzählperspektive ist bedeutungslos und wird unentwegt gewechselt. Ein Sinn, eine Absicht, gar ein Engagement des Textes ist bei Strafe seines Verrisses zu vermeiden.

    Mit dem Stichwort Verriss sind wir beim eigentlichen Klagenfurter Problem angelangt. Wenn ein Autor die oben genannten Kriterien als Rezeptur verstanden und seine Geschichte entsprechend zubereitet hat und wenn ein Juror sie zum Rummel mitbringt, ist das für die anderen Juroren natürlich ein gefundenes Fressen. Denn im positiven Sinn gelten die Regeln der Klagenfurter Vernunft ausschließlich für den Text, den der Juror mitgebracht hat. Absurderweise wird er alle anderen Texte im negativen Sinn an eben diesen Regeln messen und mal mehr, mal weniger milde verreißen. Kein Kunststück übrigens. Wer findet auch eine unlesbar erzählte und langweilig beginnende Geschichte ohne erkennbare Handlung gut, in der dem Leser ein rätselhafter Käfer von einem allwissend erzählenden Frühstücksei vorgestellt wird. Und in der der Leser sich vor der Aufgabe sieht das Nichts, auf das sein Leben zusteuert, mit dem Nichts, auf das der Text zielt, zu vergleichen.

    Fazit: Autor, schreibe nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass deine Geschichte keine Klagenfurter, sondern eine gut erzählte werde.

    Heinz Rogel

  2. Wenn der letzte Kommentar eine Satire auf das Geschehen in Klagenfurt sein sollte, so muß ich doch ein wenig widersprechen, beziehungsweise mich als eine outen, die in den letzten Jahren, die Bewerbe ganz genau verfolgt und daher glaubt, daß das oben skizzierte, vielleicht früher ein wenig gegolten hat, für heuer aber nicht, denn das war ein Bewerb, der sehr interessant war und viele ungeschriebene Regeln, die vielleicht schon der selige wortgewandt Reich Ranicki eingeführt hat, sprengte.
    Als Kathrin Passig den Preis gewonnen hat, hätte man vielleicht sagen können, die Juroren wollen die und die Wörter, die und die Metaphern, den und den sprachlichen Stil und du gewinnst.Das hat sie ja, wie sie nachher erklärte, bewiesen und ihren Text auf den Preis hin konstruiert, dann gab es auch den “Preis der automatischen Literaturkritik”, der das auch beweisen wollte, aber heuer hat eine Frau gelesen, deren Stil nicht denherkömmlichen Regeln entsprach, sie hat zwar nicht gewonnen, wurde aber auch nicht verrissen, sondern hochgelobt und dann einer, wo ich sogar, ohne fremdenfeindlich zu sein, meine Bedenken hätte, denn wenn der Text ,wie Klaus Kastberger sagte, auch nur in Deutsch und nicht einmal in guten Deutsch geschrieben sein muß, um genommen zu werden, wird es vielleicht doch schwierig, wenn jemand, der ein Jahr Deutsch gelernt hat, auf Deutsch schtreibt und dann mit seinen “Broken German” die Regeln bricht, er kam auch nicht in die Shortlist.
    Gewonnen haben wieder die “literarischeren Texte” aber man hat wenigstens darüber diskustiert und das finde ich sehr schön und so denke ich, daß wir aus den Zeiten der Literaturschulhinkonstruierten Texte hinaus sind. Einige Texte wurden ja, was vielleicht auch ein wenig komisch ist, als zu brav, zu glatt, zu konform, kritisiert. Schwierig ist zwar immer noch, daß da nur vierzehn Leute lesen dürfen und daß, wie ich hörte, von den Juroren schon weithin vorher ausgesucht werden und, daß das nur Hnschicken mit der verlangten Verlagsempfehlung nichts mehr hilft.
    War ein interessanter Bewerb und eine sehr interessante Berichterstattung, ihn sich anhören und die Texte lesen würde ich raten.
    Aber Satiiren über den Bachmannpreis sind natürlich auch sehr schön, der sich in den letzten Jahren mehrmals geändert hat und meiner Meinung nach interessant und wichtig ist.

  3. Dass Jan Snela und Selim Özdogan auf der Shortlist gelandet sind, war für mich ebenfalls eine überraschung. Özdogan hatte ich sogar für den Publikumspreis nominiert mit der Begründung, sein Text hätte eh keine Chance, in die engere Auswahl zu kommen. So kann man sich täuschen. Aber wie dann ja auch Herr Winkels in seiner Abschlussrede postuliert hat: Nichts ist vorhersehbar und das ist gut so. Der muss es ja wissen …

    Genützt hat es weder Snela noch Özdogan, dass sie es auf die Shortlist geschafft hatten. Özdogan erhielt eine einzige Stimme von Frau Keller beim 1. Wahlgang zum KELAG Preis. Snela ging komplett leer aus: Dank der neuen Regelung, wonach kein Juror im 1. Wahlgang für die von ihm vorgeschlagenen Autoren votieren durfte, hatte Frau Feßmann keine Gelegenheit, die Vorzüge seines Textes per Begründung nochmals hervorzuheben. Aber das hatte sie ja bereits während der Diskussion ausreichen geleistet. Bei Isabelle Lehn konnte sie im 2. Wahlgang zum Bachmannpreis immerhin noch ihr Statement abgeben. Sie war nämlich die einzige Jurorin, die ihre beiden Autoren auf der SL hatte, während Frau Keller diesmal leider leer ausging. 🙁

    Bitte, nichts gegen Meike Feßmann!
    Leider war ich für das Juroren-Voting im literaturcafé etwas zu spät dran. Ansonsten hätte ich sie gewählt. Kastberger mag ich auch, aber der ist so souverän, der ist eh ein Selbstläufer. Nein, es hat mir wirlich imponiert, wie Frau Feßmann am ersten Teg den Mut zum Widerspruich hatte. Von fünf vorgetragenen Texten hat sie am Donnerstag vieren ihr Nein gegeben und konnte das auch gut begründen. Okay, was ihre eigenen Autoren betrifft, war sie dann deutlich weniger kritisch. Aber das liegt in der Natur der Sache und womöglich muss man das mitunter auch etwas “mitkroskopischer” betrachten …

    Es scheint irgendwie in der Natur dieses Wettbewerbs zu liegen, dass immer ein Autor zunächst hoch gehandelt wied, der dann aber doch am Ende leer ausgeht. Da nützen offenbar auch Änderungen im Regelwerk nichts. Diesmal hat es Marko Dinic getroffen, der beim Bachmannpreis im 2. Wahlgang gegen Sharon Dudua Otoo und beim KELAG-Preis im 2. Wahlagang gegen Dieter Zwicky verloren hat. Der 3sat Preis war eh im 1. Wahlgang eindeutig.

    Soweit ich erkennen kann, hat keiner der Juroren wikrlch Bullshit betrieben und ist von seinem bisherigen Votum massiv abgeschwenkt bzw. hat jemanden im Regen stehen lassen, nachdem die Möglichkeit bestand, entsprechend zu votieren. Geschweige denn den eigenen Autor …

    Was de Voraussage der Preise betrifft, so muss ich zugeben, dass ich diese nochmals geändert habe, nachdem ich mir das Samstags-Podcast angehört hatte. So bin ich doch auf ein akzeptables Ergebnis gelangt. Mastermind hätte “2 – 1” zurückgemeldet: 2 korrekt getippte Plätze, 1 korrekt getippter Kandidat, 1 Fail.

    Julia Wolf hatte ich korrekterweise auf Platz 3 verortet und Stefanie Sargnagel auf dem Publikumspreis. Sharon Dodua Otoo hatte ich auf Platz 2 gesetzt. Fail war für mich Isabelle Lehn, die ich auf dem Siegertreppcchen ganz oben gesehen hatte.

    Fazit:
    Heuer gibt es keinen Preisträger, dem ich den Preis nicht gönne.

    Als Mrs. Dodua Otoo mit ihrem unvergleichlichen Grinsen behauptet hat, sie sei ein Ei … da konnte sogarein Miesepeter wie ich sich einen Moment lang von ihrer Fröhlichkeit anstecken lassen!
    Das muss ein Text erstmal schaffen. Congratulations!

    Dieter Zwicky ist nicht mehr der Jüngste und er offenbar zum 2. Mal eingeladen und damit ist er nicht der einzige. Bodo Hell wurde im Podcast erwähnt. Ich mag noch Jan Peter Bremer beisteuern, der ebenfalls zweimal gelesen und sogar zweimal gewonnen hat.

    “Jan Peter Bremer erhielt unter anderem folgende Auszeichnungen: das Bertelsmann-Stipendium beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1993 in Klagenfurt; den Ingeborg-Bachmann-Preis 1996”

    https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Peter_Bremer

    Zu Julia Wolf habe ich ich ja schon im Kommentar zum entsprechenden Podcasts lobend geäußert.
    Ich muss mich da nicht wiederholen.

    Und was Frau Sargnagel betrifft, die ist eh hip.
    Der kann es also momentan völlig schnurz sein, wie Leute über sie denken, die nicht ihre Fans sind. Immerhin haben ihre Fans ihr den Publikumspreis beschert. Jetzt ist sie aber in der Pflicht und muss 1 Jahr lang nachlegen! Viel Spaß dabei. Womöglich wird sie irgendwann feststellen müssen, dass eine rosa Baskenmütze doch nicht ganz ausreicht, um qualitativ gute Literatur zu produzieren.

    Fazit: Alles gut!

    Nächstes Jahr, so Gott will,
    werd ich wieder geweckt …

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