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Andreas Eschbach: »Vielleicht würde ich heute auch als Selfpublisher beginnen«

Andreas Eschbach

Andreas Eschbach ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Thriller- und Science-Fiction-Autoren. Wer sich im Internet nach Informationen übers Schreiben oder die Verlagssuche umschaut, der landet früher oder später auf der Website des Autors, denn Andreas Eschbach bietet umfangreiche Infos zu diesem Thema.

Und Andreas Eschbach gibt Schreibseminare für Autoren, wie beispielsweise bei der Bastei Lübbe Academy.

Wolfgang Tischer hat sich mit dem Bestseller-Autor unterhalten und wollte wissen, ob Eschbach auf diese Weise nicht Betriebsgeheimnisse verrät.

Doch Andreas Eschbach sieht die Konkurrenz nicht in anderen Schriftstellern, sondern ganz woanders.

Die wirkliche Konkurrenz für den Autor seien vielmehr die anderen Medien. Die deutschsprachige Bücherwelt könne durchaus noch ein paar gute Schriftsteller gebrauchen.

Romane haben den Vorteil, dass nichts verborgen und nichts dahinter ist. Alles steht auf den Seiten, und man kann es nach Herzenslust analysieren, meint Andreas Eschbach.

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Nachtrag: Die komplette Abschrift des Interviews mit Andreas Eschbach

Freundlicherweise hat Susi Meyer (Blog, Twitter) das Interview für alle transkribiert, die es – aus welchen Gründen auch immer – nicht anhören können. Herzlichen Dank dafür!

literaturcafe.de: Wir sind am Ende des zweiten Seminartages der Bastei Lübbe Academy zum Thema »Spannendes Schreiben« und, bei mir sitzt jetzt der Seminarleiter Andreas Eschbach. Hallo Herr Eschbach!

Andreas Eschbach: Hallo!

literaturcafe.de: Sie sind einer der Dozenten, die bewiesen haben, dass sie schreiben können. Sie sind Autor einiger erfolgreicher Romane und geben jetzt Kurse darüber wie man schreibt. Eigentlich ist das doch ein bisschen ein Verraten von Betriebsgeheimnissen.

Andreas Eschbach: Das Wissen von Techniken allein bringt noch nichts. Die Techniken wie man Spannung erzeugt sind ja bekannt. Was ich in den Seminaren versuche, ist, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie man sie einsetzt.

Ja, es ist ein Verraten von Betriebsgeheimnissen in dem Sinne, dass mir daran gelegen ist, dass deutsche Autoren spannender schreiben. Die große Konkurrenz ist die aus Amerika, und die Konkurrenz des Lesens an sich sind die anderen Medien. Ich will, dass die Leute Bücher lesen und nicht andere Sachen machen – Computerspiele oder sowas. Mein Baby sind Romane.

literaturcafe.de: Ich habe selten einen Autor erlebt, der so detailliert über den Schreibvorgang reflektieren kann und das eigene Arbeiten so reflektiert. War das bei Ihnen immer schon der Fall oder haben Sie sich letztendlich da eingearbeitet? War sozusagen erst die Praxis und hinterher die Theorie?

Andreas Eschbach: Es war zuerst die Praxis da. Ich hab schon als Jugendlicher viel geschrieben. Da schreibt man eher so aus dem Bauch heraus. Man erlebt die Abenteuer einfach mit und schreibt sie auf, während man sie im Geist erlebt. Was man da eigentlich tut oder was passiert, wenn mich Autoren, die ich damals toll fand, in den Bann geschlagen haben, das hat mich immer interessiert, und ich wollte dem einfach auf den Grund kommen. Ich bin jemand, der nicht aus einer geisteswissenschaftlichen Richtung kommt. Ich hab Ingenieurswissenschaften studiert. Da denkt man ein bisschen anders. Da will man wissen, wie die Maschine funktioniert oder wie die Zusammenhänge sind. Beim Schreiben, ist das natürlich kein maschineller Zusammenhang, aber es ist doch ein geistiger Prozess, ein mentaler Prozess, bei dem man ein paar Sachen verstehen kann. Talent kann man natürlich nicht vermitteln. Das hat man oder hat man nicht, wie man eine Singstimme hat oder gutes Aussehen oder sowas. Aber was man dann daraus macht ist entscheidend. Das gute Aussehen kann man durch Make-Up verbessern oder die Singstimme durch Gesangstraining. Und ein Gefühl für Sprache kann man durch ein paar handwerkliche Sachen, Kniffe zur Geltung bringen. Der Begriff »zur Geltung bringen« gefällt mir hier recht gut.

literaturcafe.de: Sie zitieren auch immer wieder viele Beispiele anderer Autoren, andere Romane. Würden Sie definitiv auch sagen es gehört dazu, dass man die Konkurrenz kennt oder auch andere Beispiele und Dinge kennt?

Andreas Eschbach: Ja. Ein Autor der nicht liest, wäre ein seltsames Gebilde. Warum sollte man Lust haben zu schreiben, wenn man nicht liest? Wozu ich anregen möchte und weswegen ich solche Hinweise gebe, ist, dass man die Bücher anderer Autoren durchaus auch unter einem handwerklichen Aspekt betrachten kann.

Wenn ein Schreiner einen Tisch sieht, der ihm gefällt, dann kriecht er auch drunter und guckt wie die Zapfen und Bolzen gemacht sind und wie die Mechanik funktioniert, wenn der Tisch beispielsweise ausziehbar ist. Einfach weil es ihn interessiert. Genau so kann man auch an Bücher rangehen.

Bücher und Romantexte generell haben den Vorteil, dass nichts verborgen ist. Da ist nichts dahinter, kein Quelltext, alles steht da auf den Seiten. Das heißt, man kann analysieren nach Herzenslust, da ist nichts versteckt. Das wird gewissermaßen nur durch die Magie des Erzählens in einen Schleier gehüllt. Man sieht nicht mehr die Buchstaben, sondern die Welt dahinter. Deswegen kann man gute Bücher auch erst beim zweiten, dritten oder vierten Lesen analysieren. Vorher fangen sie einen ein.

literaturcafe.de: Gerade das handwerkliche Arbeiten ist – sie haben es gesagt – in den amerikanischen Ländern viel mehr verbreitet. Woran liegt es, dass man in Deutschland Schreiben eher als hochgeistige Sache sieht und gar nicht so sehr als Handwerk? Oder ändert sich das vielleicht?

Andreas Eschbach: Ich glaube, dass es sich gerade ändert. Woher diese Haltung kommt, ist klar: Die amerikanische Mentalität ist dem Gedanken des Machbaren verhaftet. Wie macht man es? Dieses berühmte How-to-Buch. Es gibt dort Millionen von How-to-irgendwas-Büchern. In Deutschland ist es eher dieses… Schlaffer hat es genannt: »Literatur als Religionsersatz«. Da will man nicht dran kratzen.

Aber ich hab das Gefühl, das ändert sich gerade massiv. Man sieht, dass es da ein paar Sachen gibt, die man lernen kann. Der Grundgedanke, der hinter dieser Skepsis steckt, ist an sich schon richtig: dass man sich nichts aufzwängen, nichts aufpfropfen lassen sollte, was man nicht selbst ist. Also nicht auf Trends aufspringen, nicht auf Methoden schwören, nur weil es der und der so macht. Wozu ich ermutigen möchte ist, eine eigene Entdeckungsreise zu machen, Sachen auszuprobieren, die andere Autoren machen, um zu schauen, ob es für einen selbst funktioniert. Das ist nicht bei allem so. Autoren sind sehr unterschiedlich, und das sollen sie auch sein, sonst gäbe es ja keine Daseinsberechtigung für den Autor.

literaturcafe.de: Stellen Sie – vielleicht auch an der eigenen Person – fest, dass die Aufmerksamkeit der Verlage wieder mehr auf die Autoren gerichtet ist? Vielleicht auch durch die Selfpublishing-Konkurrenz, bei der die Leute die Dinge selbst machen können?

Andreas Eschbach: Ich glaub schon, ja. Selfpublishing ist zum ersten Mal eine echte Konkurrenz geworden. Das erste Mal, dass ein Selfpublishing-Autor direkt in Hollywood landet. Wann hat es das je zuvor gegeben? Da läuten schon gewisse Alarmglocken. Hier bei Lübbe habe ich das Gefühl, dass die schon ganz früh mit dabei waren und gesehen haben, was da an Gefahren und Möglichkeiten im Elektronischen, im E-Book, im Internet liegt. Man hat sich hier im Hause schon sehr früh drauf einstellt, und da kann ich mir schon vorstellen, dass die Academy ein Teil dieser Bemühungen ist.

literaturcafe.de: Unter anderem gibt es ja auch 99-Cent-E-Books, also Kurzgeschichten-Sammlungen von Andreas Eschbach bei Amazon. Aber ganz direkt: Wie sehen Sie diese Konkurrenz, dass Sie tatsächlich plötzlich im Amazon-Ranking von einem No-Name-Autor, der für 99 Cent seinen Roman auf den Markt wirft, überholt und überrundet werden. Ist das etwas, das Sie als Bedrohung empfinden?

Andreas Eschbach: Nein gar nicht. Ich bin ein grundsätzlicher Anhänger des fairen Wettbewerbs. Ich kann nichts Unfaires daran finden, wenn jemand ein Buch anbietet und die Leute zuschlagen. Gut, wenn er es über den Preis macht, ist es aus seiner Sicht natürlich erstrebenswerter, wenn er sich einen Namen macht und die Leute auch ein Buch für 4,99 Euro kaufen würden. Aber das kommt dann mit der Zeit. Ich sehe da keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung.

Klar, es kommen jetzt viele Selfpublishing-Bücher hinzu. Die meisten davon sind ja unlesbar. Das kann man heutzutage Gott sei Dank anhand der Leseprobe schon früh aussortieren. Es sind aber auch viele dabei, die ganz interessant sind. Sie sind vor allem anders. Das ist ein bisschen so wie Leserbriefe in der Zeitung, die so ganz unverstellt eine ganz bestimmte Person reflektieren, da ist kein Lektorat, keine Verlagsauswahl. Das ist schon sehr interessant.

Wobei es auf der anderen Seite bemerkenswert ist, dass die erfolgreichen Selfpublishing-Bücher eigentlich Bücher aus Genres sind. Bücher, die in einer Art geschrieben sind, bei der man, wären sie in Verlagen erschienen, sagen würde: »Das ist ja kommerziell!«. Liebesromane, Chick-Lit, Thriller und so weiter. Es ist nicht das elaborierte, hochliterarische Werk, das bislang noch keine Chance bekommen hat, das alle abhängt. Die Leute, die selber publizierte Bücher kaufen, wollen durchaus dasselbe, das sich schon immer gut verkauft hat.

literaturcafe.de: Und durchaus Genres – Science-Fiction, Thriller – in denen auch Sie unterwegs sind. Daher sind die für Sie doch eher eine Konkurrenz als wenn Sie Hochliteratur bei Hanser schreiben würden.

Andreas Eschbach: Ja – aber Konkurrenz belebt das Geschäft! Ich hab eine Anthologie herausgegeben mit europäischen Science-Fiction-Autoren. Dabei habe ich die interessante Beobachtung gemacht, dass, wenn es in einem Land bloß zwei oder drei Science-Fiction-Autoren gab, dann konnte keiner von denen auch nur davon träumen, vom Schreiben zu leben. In den Ländern, in denen es sehr viele Science-Fiction-Autoren gab, also die Konkurrenz sehr hoch war, Frankreich beispielsweise, da gab es dann durchaus Autoren, die vom Schreiben leben. Die Aufmerksamkeit für eine bestimmte Gattung wächst mit der Anzahl der Autoren. Es kann nicht ein Autor alle Leser zufrieden stellen. So schnell und so vielfältig kann ein einzelner nicht schreiben. Also ist der Konkurrenzgedanke nicht der Verdrängungswettbewerb, wie man sich das vielleicht vorstellt. Jemand der Science-Fiction will und da viel entdeckt, der verträgt auch noch ein paar Autoren.

literaturcafe.de: Sie schreiben schon seit Jahren, haben schon als Jugendlicher angefangen, die Marke Andreas Eschbach aufzubauen. Von diesem langsamen Aufbau profitieren sicherlich die bekannteren Autoren. Glauben Sie, dass es auch künftig noch so sein wird? Oder geht es künftig mit Autoren schneller nach oben und auch wieder nach unten?

Andreas Eschbach: Ich bin gespannt, wie es sich entwickelt, aber ich glaub es eigentlich nicht, dass sich da im Hinblick auf Autoren grundsätzlich etwas ändert, denn es besteht eigentlich immer ein Mangel an richtig guten Autoren und an denjenigen, die sich einen Namen machen, egal auf welchem Weg, ob über Verlage oder als Selfpublisher, was in Zukunft sicher ein Weg sein wird, wie man in den Verlag kommt. Das ist etwas, was ich auch machen würde, wenn ich es heute damit zu tun hätte.

literaturcafe.de: Sie würden heutzutage auch erst einmal als Selfpublisher anfangen und sich einen Namen aufbauen?

Andreas Eschbach: Das würde ich heute so machen, ja. Ich bin froh, dass ich es jetzt nicht mehr machen muss, aber wenn ich heute jung wäre und den Ehrgeiz hätte, würde ich es wahrscheinlich auf diesem Weg versuchen, wenn die Verlage bei der ersten Einsendung nicht gleich »Juhu« schreien. Das kann ja immer mal passieren, aber Selfpublishing ist jetzt zum ersten Mal eine richtige Alternative.

literaturcafe.de: Viele der Autoren, die es tatsächlich machen wollen, die googeln, die nach Schreibtipps suchen, die landen früher oder später – eigentlich eher früher – auf Ihrer Website. Bei Ihnen gibt es einen Fundus von Ratschlägen. Wie kam es denn dazu?

Andreas Eschbach: Ich bin am Anfang oft Sachen gefragt worden, wie eine Normseite aussieht, wie man da vorgeht. Diese Standardfragen, bei denen ich schon gedacht hatte, ich könnte mir dafür allmählich mal Textbausteine basteln. Es kam mir nicht richtig vor, das nicht zu beantworten, auf der anderen Seite wollte ich auch nicht immer das Gleiche schreiben.

Da kam ich auf die Idee: wenn ich sowieso schon eine Homepage mache, dann setze ich da die Antworten drauf, und dann ist die Sache gegessen. Es hat dann nicht so funktioniert, sondern es kamen dann andere Fragen, ergänzende Fragen. Meine Antworten haben weitere Fragen ausgelöst. Das hat sich so akkumuliert, weil es viele Interessenten gab und so habe ich das beibehalten. Als ich meine Homepage aktualisiert habe, habe ich das in eine neue Form gebracht, habe ich das noch einmal durchforstet nach Tipps – gerade zum Thema Verlagssuche –, die heute nicht mehr so aktuell sind oder nicht mehr so funktionieren würden und habe das etwas anders gestaltet.

literaturcafe.de: Wird es irgendwann auch einen gedruckten Schreibratgeber oder ein E-Book von Andreas Eschbach geben?

Andreas Eschbach: Das werde ich immer wieder gefragt, aber ich weiß nicht so recht. Es gibt schon so viele Bücher über das Schreiben. Ich weiß nicht, ob ich da noch eines hinzufügen muss.

literaturcafe.de: Also ich denke schon.

Sie leben in Frankreich. Ändert das den Blick auch auf die deutsche Literaturszene, wenn man geografisch, räumlich etwas weiter weg ist? Oder sind Sie durchs Internet und all das genauso angebunden, als ob Sie weiterhin in Stuttgart wohnen würden?

Andreas Eschbach: Ohne Internet ginge das nicht. Ich bin schon in Kontakt mit Deutschland, und es interessiert mich auch, was hier vor sich geht. Aber ich merke, vom Lebensstil, von der Lebenshaltung, vor allem von der Geschwindigkeit her, wenn man so am Rand der Welt lebt, wird man doch langsamer. Immer wenn ich nach Deutschland komme, dann bin ich erst einmal ein Verkehrshindernis für alle Leute, die um mich herumwuseln und es eilig haben, und ich brauche dann immer ein paar Tage, bis ich mich auf das Tempo eingeschwungen habe. Fahrstühle oder Rolltreppen haben eine irre Geschwindigkeit drauf, und bei solchen Dingen merke ich dann schon, dass sich ein bisschen was verändert. Wo wir sind, ist es doch relativ geruhsam und weit weg vom heftigen Puls der Welt.

literaturcafe.de: Und wahrscheinlich auch die bessere Atmosphäre und inspirierender für einen Schriftsteller.

Andreas Eschbach: Inspiration ist nicht so das Problem, die kann einen überall überfallen. Aber Meeresluft ist schon besser als die Innenstadtluft von Stuttgart. (lacht)

literaturcafe.de: Andreas Eschbach, vielen Dank für das Interview!

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