StartseiteBachmannpreis 2023Zu alt für den Bachmannpreis? Christian Ankowitsch moderiert nicht mehr

Zu alt für den Bachmannpreis? Christian Ankowitsch moderiert nicht mehr [Update]

Zufrieden zurück im Hotel: Bachmannpreis-Moderator Christian Ankowitsch (Foto: Tischer)
Bachmannpreis-Moderator Christian Ankowitsch 2020 (Foto: Tischer)

Seit 2013 moderiert Christian Ankowitsch den Bachmann-Wettbewerb. Jetzt meldete er sich per Twitter zu Wort. Der ORF habe ihm mitgeteilt, dass er 2023 ersetzt werde. »Man wolle sich verjüngen«, habe man dem 63-jährigen Ankowitsch mitgeteilt. Beim ORF hingegen versteht man die Aufregung nicht. Von Verjüngung habe man nie gesprochen.
Update: Christian Ankowitsch bleibt jedoch bei seinen Behauptungen.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 22. Februar 2023 mit einer Aktualisierung versehen (siehe unten).

Keine einfache Sache

Die Moderation des Bachmann-Wettbewerbs ist keine einfache Sache. Man ist zum einen das Gesicht des Wettbewerbs und Bindeglied zu Zuschauerinnen und Zuschauern auf 3sat und im Klagenfurter Studio. Zum anderen gilt es, die sieben nicht immer einfach zu handhabenden Jurymitglieder im Zaum zu halten und für eine ausgewogene Diskussion um die vorgelesenen Texte zu sorgen, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu spielen.

In dieser Position gab es bisweilen auch kurze Gastspiele wie von Max Moor, der 2008 (noch als Dieter Moor) den Literaturwettbewerb nur einmal moderierte.

Seit 2013 wird der Bachmannpreis von Christian Ankowitsch moderiert. Der 1959 in der Steiermark geborene Österreicher, der seit vielen Jahren in Berlin lebt, war Ende der 1990er-Jahre als Leiter der Online-Redaktion der ZEIT für den legendären Internet-Literaturwettbewerb »Pegasus« verantwortlich. Ab 2011 moderierte er im ORF die Literatursendung les.art.

Ankowitsch war so etwas wie eine Idealbesetzung

Ankowitsch war so etwas wie eine Idealbesetzung für den Job des Bachmannpreis-Moderators. Charmant, souverän und mit feinem Humor hatte er die Sendung und die Jury im Griff. Selbst als der Literaturwettbewerb Corona bedingt online stattfinden musste, moderierte er vor Ort in Klagenfurt und meisterte er die technisch ungewohnte Situation. Die kleinen ironischen Scharmützel im nahezu leeren Studio mit Justitiar Magister Andreas Sourij sind legendär (siehe Interview von 2020).

Bachmannpreis-Moderator Christian Ankowitsch (links) und Justitiar Magister Andreas Sourij (Foto: Tischer)
Bachmannpreis-Moderator Christian Ankowitsch (links) und Justitiar Magister Andreas Sourij im Jahre 2021 (Foto: Tischer)

Doch damit ist jetzt Schluss, denn 2023 wird Christian Ankowitsch nicht mehr moderieren. Das teilte Ankowitsch merklich angefressen (Für die Schweiz: verärgert) am 17. Februar 2023 in sieben Tweets auf Twitter mit. Vor zehn Tagen habe ihn ein Mitarbeiter des ORF Kärnten angerufen und mitgeteilt, dass den Moderatoren-Part jemand anderer übernehmen werde. »Das Gespräch dauerte nur kurz«, erinnert sich Ankowitsch. Als Grund habe der Mitarbeiter laut Ankowitsch angegeben: »Man wolle sich verjüngen.« Leicht erbost und mit sarkastischem Unterton twittert Ankowitsch: »Der Umstand, dass ich diesen Juli 64 Jahre alt werde, muss für alle Beteiligten vollkommen überraschend gekommen sein, vor allem für die Leute vom ORF Kärnten, für die ich 10 Jahre moderiert habe (…). Verständlich, dass angesichts dessen keine Zeit geblieben war, einen allen Beteiligten angemessenen (und in der Sache nachvollziehbaren) Abschied zu feiern, sondern man sich vielmehr zum radikalen Handeln genötigt sah.«

»Man wolle sich verjüngen.«

Einige Tage später sei dann ein Brief vom ORF Kärnten bei ihm eingetroffen. Ankowitsch: »Er hat den Charakter einer jener SMSen[,] von denen man immer wieder hört & in denen [d]er eine dem anderen erklärt, das sei’s jetzt gewesen, danke schön, ›mit freundlichen Grüßen‹.«

Nicht minder sarkastisch schließt Ankowitsch die sieben Tweets mit »Das war’s also. Hat mich wirklich sehr gefreut & geehrt, so lange moderiert zu haben. Wir sehen uns.«

Viele Twitter-Nutzer danken Christian Ankowitsch. Das Verhalten des ORF sei »stillos«. Selbst Ulf Poschardt von der Tageszeitung Die Welt antwortet: »lieber Christian, du hast das fantastisch gemacht. bitte auf bald in berlin! und glückwunsch zu dem, was du da geleistet hast (Explosionsemoji)«

Fügen sich die Entscheidung und die Art der Kommunikation in eine Reihe ein, in der 2014 auch Daniela Strigl als potenzielle Jury-Vorsitzende ausgebootet wurde?

»Veränderungen statt Verjüngung«

Von einer »Verjüngung« ist jedoch bei den beiden Neubesetzungen in der Jury 2023 nichts zu merken. Mithu Sanyal (*1971) ersetzt Vea Kaiser (*1988) und Thomas Strässle (*1972) kommt für Michael Wiederstein (*1983).

Auf Anfrage des literaturcafe.de erklärt Karin Bernhard, die Kärtner Landesdirektorin des ORF, dass nie von »Verjüngung« gesprochen wurde, sondern von »Veränderungen«. Die Moderation des Bachmannpreises werde normalerweise, so wie auch immer wieder die Jury, nach einem normalen 5-Jahreszyklus verändert. Dass Ankowitsch länger im Amt war, lag an der Pandemie. Die Aufregung von Christian Ankowitsch verstehe sie nicht, schreibt Bernhard, niemand habe »eine Erbpacht auf die Moderation«, es sei eine Entscheidung von ORF und 3sat. Das von Christian Ankowitsch als »kurz« bezeichnete Gespräch sei nach Meinung des ORF »ausführlich« gewesen. Sie persönlich, so Karin Bernhard, habe sich in dem erwähnten Brief bei Christian Ankowitsch für die jahrelange Zusammenarbeit bedankt. Gleichwohl räumt sie ein: »Ein Abschied, in welcher Form auch immer, ist für die betroffenen Personen eben nicht angenehm.«

Bleibt auch 2023 Bachmannpreis-Koordinator Horst Ebner vom ORF Kärnten (Foto: Wolfgang Tischer)
Bleibt auch 2023 Bachmannpreis-Koordinator Horst Ebner vom ORF Kärnten (Foto: Wolfgang Tischer)

Die Landesdirektorin des ORF betont, dass es bei der Organisation des Bachmann-Wettbewerbs keine Veränderung gebe. Sie liegt weiterhin bei Horst Ebner und Regisseur Klaus Wachschütz.

Nochmals eine direkte Kommunikation?

So stehen sich zwei Meinungen zu einer Sache gegenüber. Es bleibt zu hoffen, dass die direkte Kommunikation zwischen den Beteiligten nochmals aufgenommen wird, um Christian Ankowitsch für seinen Einsatz öffentlich angemessen zu danken. Vielleicht kann er dann ja im Sommer den Staffelstab an seinen Nachfolger übergeben.

Wer moderiert den Bachmann-Wettbewerb 2023?

Bleibt natürlich die Frage: Wer folgt auf Christian Ankowitsch und moderiert 2023 den Literaturwettbewerb am Wörthersee? Auch das ist kein Geheimnis mehr. Peter Fässlacher wird diese nicht einfache Aufgabe übernehmen. Der außerhalb Österreich eher unbekannte Fässlacher moderiert die werktägliche Kultursendung »KulturHeute« in ORF III und entwickelte die Büchersendung »erLesen«. Seit 2007 arbeitet er beim ORF. Im vergangenen Jahr 2022 veröffentlichte er im Luftschacht Verlag das Buch »Die schwule Seele – wie man wird, wer man ist.« Außerdem führt Peter Fässlacher regelmäßig die »ORF Künstlergespräche« mit Menschen wie Anke Engelke, Harald Schmidt, Hape Kerkeling und Max Goldt.

Peter Fässlacher ist Jahrgang 1986. Schriftsteller werden da vom Feuilleton immer noch als »jung« bezeichnet.

Wolfgang Tischer

Nachtrag vom 22. Februar 2023:
Christian Ankowitsch bezeichnet das Vorgehen des ORF weiterhin als »stillos«

»Es geht genauso stillos weiter, wie es begonnen hat«, twittert Christian Ankowitsch nach diesem Beitrag und den Aussagen von Karin Bernhard. Im Telefonat sei sehr wohl die Begründung gefallen, man wolle sich verjüngen. Erst im nachfolgenden Brief stehe dann »Veränderung«.

Wie ausführlich das erwähnte Telefonat war, belegt Christian Ankowitsch mit einem Screenshot seines Smartphones: demnach dauerte es zwei Minuten.

 

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4 Kommentare

  1. Erschütternd, der Umgang mit Herrn Ankowitsch, barbarisch, einen Menschen, der immer genau den Ton fand, der angemessen war, der das Ereignis TDDL zu einem Gesamtkunstwerk machte, auch als Herr Tingler das erste mal dabei war und die Sendung Thrillerqualität entwickelte, ich bin noch immer fassungslos und hilflos angesichts Stillosigkeit, Ignoranz und Undankbarkeit. Ich bin 65 Jahre alt, darf ich die Sendung überhaupt noch anschauen?

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