Anzeige
StartseiteBuchkritiken und Tippswww.zehnseiten.de: Text und Autor in der reinen Form

www.zehnseiten.de: Text und Autor in der reinen Form

www.zehnseiten.deWer Literatur im Internet vermitteln will, der muss es hipp und trendy machen. Am besten mit einem Buchtrailer. So mit verwackelter Kamera und vielen Schnitten. Und witzig muss es sein. Ein Link auf Google Maps zu den Handlungsorten des Romans schafft ungeheuren Mehrwert. Und Text allein ist dröge, da muss ein flotter Beat druntergelegt werden. Wird ja mittlerweile in jeder Verkehrsdurchsage so gemacht. Und Web 2.0 muss sein: also Nutzerkommentare ermöglichen.

Quatsch!

Dass es auch ganz anders geht, nämlich ruhig, schön und ästhetisch und dass das viel ansprechender und spannender sein kann, das zeigt die neue Website www.zehnseiten.de.

Was diese neue Literatur-Website bietet, drückt der Domain-Name bereits aus: Dort sieht man Videofilme von Autorinnen und Autoren, die zehn Seiten ihres Werkes vorlesen. Gefilmt in Schwarzweiß, sitzen sie vor einer weißen Wand an einem Tisch, vor ihnen das Buch und daneben ein Glas Wasser. Die fast schon klassische, ja klischeehafte Situation einer Lesung.

Links neben dem Videofenster kann man durch die Liste der Autorinnen und Autoren scrollen. Man sieht schnell, dass hier schon zum Start von www.zehnseiten.de eine enorm gute und interessante Mischung von Autorinnen und Autoren versammelt ist. Da finden sich beispielsweise Norbert Gstrein, Norbert Niemann, Georg Oswald, Maximilian Dorner, Stefanie Geiger und Thomas von Steinaecker.

So um die 15 Minuten lang sind die Video-Lesungen. Allein einige der Autoren, von denen und über die man manches gelesen und gehört hat, einmal zu sehen ist spannend. Und es macht Spaß, die Vortragsstile zu vergleichen.

Und man hat hier auch das Glück, Rafik Schami zu sehen und zu hören. Wer ihn schon einmal live erlebt hat, der weiß es: Der Mann liest seinen Roman nicht vor, er erzählt ihn jedes Mal neu, so als würde die Geschichte gerade erst in seinem Kopf entstehen.

Links auf der Seite dann Infos zum Buch, es lassen sich zudem weitere Infos zu Autorin oder Autor abrufen.

Es ist der Reiz dieser Website, dass sie unterschiedliche Bücher und Menschen mit gleichem Bildausschnitt, gleichem Ambiente und gleicher Schwarzweiß-Optik präsentiert, sodass allein der oder die Vorlesende und der Text im Mittelpunkt stehen.

Ein Newsletter informiert künftig über neue Lesungen. Und eine einfache Suche hilft, sich in der mit der Zeit hoffentlich immer länger werdenden Liste zurecht zu finden. Hier kann man Verlage, Autorennamen oder Titel eingeben und die Liste wird sofort entsprechen eingeschränkt.

Technisch ist die Website komplett mit Flash realisiert, sodass sie sich optisch stimmig präsentiert. Leider kann man dadurch aber nicht gezielt auf einzelne Lesungen verlinken, und auch bei den Suchmaschinen dürfte es das Angebot nicht leicht haben. Und es gibt (noch?) keinen RSS-Feed, der über neue Lesungen informiert; noch großartiger wäre es natürlich, wenn man die Lesungen auch als Video-Podcast abonnieren könnte. Entsprechende Firefox-Plugins wie der DownloadHelper ermöglichen es jedoch, dass man die Videos auf der eigenen Festplatte abspeichern kann – und mittels eines Videokonverters lassen sich die Flash-Videos anschließend auf den iPod bringen.

www.zehnseiten.de beweist, dass man Literatur im Internet nicht so präsentieren muss, wie man es vermuten würde: gerade die strenge und einfache Form überzeugt. Die Macher sollten dies unbedingt einhalten, denn es zeigt sich, dass bereits Ursula Krechels völlig überflüssige kurze Erklärung zum Aufbau ihres Buches wie ein Fremdkörper wirkt und sich der Vortrag von 10 Seiten unbedingt auf diese beschränken sollte.

Weitere Beiträge zum Thema

2 Kommentare

  1. Als Gesamtangebot sicher eine gute Sache, doch mir macht das Ansehen und Zuhören leider keinen Spaß. Habe mir von jeder Autorin ca. fünf Minuten vorlesen lassen und mich dann ertappt, dass ich die Augen geschlossen hatte. Die meisten waren nicht schön anzusehen, wirkten fahrig, nervös, knipperten mit den Augen; vielleicht ist es auch für einen Schreiber besser, vor richtigem Publikum zu lesen; ich hatte en Eindruck, einige suchen ein Gegenüber. Ein weiteres Handicap she ich darin, dass Optik und Akustik beim PC einfach nicht genug Stimmung transportieren. Gut finde ich die Infos, werde immer wieder mal reinschauen, aber nicht, weil es ein Genuss ist.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein